Der schwarze Atem Gottes
Er leugnet nicht, dass er auf dem Sabbat war!«
Martin fühlte sich überrumpelt. »Aber ich war nicht freiwillig da!«, sagte er empört.
»Schreibt: Der Satan hat ihn zur Teilnahme gezwungen.« Dann wandte er sich wieder an Martin: »Vielleicht wolltest du dich ja von ihm lossagen?«
»Nein, denn ich habe mich ihm nie verschrieben!«
»Schreibt: Inculpant will sich nicht vom Teufel lossagen.«
»Verzeiht, aber Ihr dreht mir das Wort im Munde herum«, betonte Martin mit fester Stimme. Er fragte sich, woher er den Mut zu diesen Worten nahm.
Der Richter lief rot an. Ein roter Karpfen. Beinahe hätte Martin gelächelt. Der Karpfen blubberte erregt: »Nicht ich, sondern höchstens der Teufel dreht dir das Wort im Munde herum!« Dann stöberte er in einem kleinen Aktenhaufen, der vor ihm auf dem altersschwarzen Tisch lag. »Wie ich sehe, hat man bei dir kein Hexenmal gefunden!«
»Das ist richtig.« Diesmal erlaubte sich Martin ein Lächeln.
»Schreibt: Kein Hexenmal gefunden; also muss es sich um einen besonders treuen Anhänger Satans handeln, der nicht markiert zu werden brauchte.«
Martin packte die Wut. »Ich bin kein Zauberer! Ich bin der Geselle eines Heiligen! Begreift Ihr das denn nicht? Ihr habt mich in Gedanken bereits verurteilt! Ich verlange einen gerechten Prozess!«
»Gar nichts hast du zu verlangen!«, schrie der Karpfen und schlug mit der Faust so heftig auf den Tisch, dass das Tintenfässchen des Notars einen Sprung in die Luft machte. »Ich sehe einen Hexer in dir, und ich bin der Stellvertreter des Bischofs, der wiederum der Stellvertreter des Papstes ist! Willst du etwa die Überzeugung der Mutter Kirche anzweifeln? Vielleicht bist du insgeheim ja ein Anhänger der erzketzerischen Lehren dieses verfluchten Luther? Du siehst: Es gibt schon jetzt genügend Gründe, um dich brennen zu lassen. Deine Gegenwart beim Sabbat ist eine Tatsache, für die es Zeugen gibt. Daraus folgt untrüglich, dass du einen Pakt mit dem Teufel eingegangen sein musst, und darauf steht die Todesstrafe, wie du sicherlich weißt, wenn du wirklich der Gehilfe des Hexenschnüfflers Hilarius bist.« Er rieb sich die dicken Hände. »Nun kommt es nur noch darauf an, dass du uns deine Komplizen verrätst. Und ich schwöre dir, dass du sie verraten wirst.«
In diesem Augenblick beugte sich der Notar zu dem Richter herüber und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Darauf hellte sich die Miene des Geistlichen merklich auf. »Warum erfahre ich das erst jetzt?«, brummte er. »Nun, ich werde es mir überlegen. Zuerst möchte ich die Befragung des Inculpanten weiterführen.« Er lehnte sich zufrieden zurück wie jemand, der soeben erfahren hat, dass er in dem gegenwärtigen Spiel nur gewinnen kann.
Und er führte die Befragung weiter.
Stundenlang verhörte er Martin, der sich jedoch in keine Widersprüche verwickelte. Er unterließ es, Marias Namen zu erwähnen, um sie nicht in noch größere Gefahr zu bringen. Erst am späten Nachmittag wurde er zurück in seine Zelle geführt. Der Richter hatte ihm zwar mit der Folter gedroht, aber ihm noch nicht einmal die Folterwerkzeuge gezeigt, bei deren Anblick viele Beschuldigte bereits die Nerven verloren und gestanden, was man von ihnen hören wollte.
»Hast es diesmal noch überlebt?«, begrüßte ihn sein Zellengenosse, bevor er mit seiner Psalmenrezitation fortfuhr.
Martin nickte bloß und verkroch sich auf sein Strohlager. Als er zusammen mit Pater Hilarius in Volkach gewesen war und dem Verhör des Zauberers beigewohnt hatte, war ihm das Verfahren zwar hart und kaum erträglich, aber im Grunde gerecht erschienen, denn schließlich war es sonnenklar gewesen, dass der Zauberer schuldig war. Nun aber hatte sich Martin im Netz desselben Verfahrens verfangen, und es drohte denselben Ausgang zu nehmen wie bei jenem Zauberer. Der Unterschied bestand jedoch darin, dass Martin zweifelsfrei um seine eigene Unschuld wusste!
Als er früher einmal Hilarius gefragt hatte, ob denn bei den Hexenprozessen die Gefahr bestand, dass Unschuldige hingerichtet wurden, hatte der Pater geantwortet: »Niemals, denn Gottes Geist leitet den Richter bei seiner Entscheidung.« Offenbar war Gottes Geist augenblicklich anderweitig beschäftigt.
Es war zum Verzweifeln! »Ich bin unschuldig«, sagte er leise vor sich hin, als müsse er sich dieser Tatsache immer neu versichern.
Sein Genosse hatte diese Worte offensichtlich gehört, denn er
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