Der schwarze Atem Gottes
bevor er auf der unmenschlichen Folter gestorben ist.«
»Was für einen Namen?«
»Den Namen eines Kabbalisten.« Dann geschah alles ganz schnell.
»Die Verhandlung wird unterbrochen; wir tagen morgen weiter«, bestimmte Hilarius und stand auf.
»Nein!«, erzürnte sich der Richter. »Das geht nicht. Ich befehle hier. Und ich befehle …« Aber da war Hilarius schon um den Tisch herumgegangen, hatte Martin an der Hand genommen und schickte sich an, zusammen mit ihm den Raum zu verlassen.
»Wache!«, rief der Richter hinter seinem Tisch hervor. »Ergreife diese beiden!«
Die Wache stellte sich mit erhobener Pike vor die Tür. Hilarius blieb so nahe vor ihr stehen, dass seine Nase beinahe den Stiel der Pike berührte. »Lass uns durch, wenn du nicht in der Hölle braten willst!«, zischte er.
Die Wache war unschlüssig.
Martin sah, wie sie auf ihrer Unterlippe herumkaute.
»Tritt zur Seite!«, befahl Hilarius. Nun hatte sich seine Stimme verändert, sie war noch tiefer und gebieterischer geworden. Vor Schreck sprang die Wache wirklich zur Seite, und sofort hatte Hilarius die Tür geöffnet und zog Martin mit sich hinaus auf den schattengeschwängerten Korridor. Niemand folgte ihnen.
»Ich danke Euch, dass Ihr mich gerettet habt«, seufzte Martin aus der Tiefe seines Herzens.
»Ich habe dich nicht gerettet, und ich werde dich nicht retten, Satansanhänger! Ich will nur, dass du mir den Namen dieses Kabbalisten nennst, und zwar mir allein!«
»Und was ist, wenn ich mich weigere? Und was versprecht Ihr mir, wenn ich Euch den Namen nenne?«, fragte Martin trotzig. Hilarius packte ihn heftig an der Schulter. Schmerz durchzuckte Martins Körper wie ein Blitz.
»Wenn du redest, werde ich dir aus deiner ausweglosen Lage heraushelfen.« Dann wurde seine Stimme wieder grausam und dunkel. »Wenn nicht, wirst du leiden, bis der Tod dir wie ein Rosengarten erscheint!«
30. Kapitel
»Was hast du getan, mein Kind? Du hast gestanden? Ja, bist du denn von Sinnen?«, sagte die Bohnenstange mit der spitzen Nase und den schönen Augen. »Aber dann bist du verloren!«
Maria hockte auf einer Decke. Sie konnte nur für kurze Zeit stehen. Ihre Beine schienen von Spießen durchbohrt zu werden, wenn sie sich aufzurichten versuchte.
»Was sollte ich denn tun?«, schluchzte Maria. Die Ratten, die grässlichen Weiber, der Lärm und Gestank des Verlieses – all das existierte nicht mehr für sie. Für sie gab es nur noch ihren Schmerz und ihre Angst. »Außerdem hat der Richter mir versprochen, dass er mich begnadigt, wenn ich sage, was er hören will.«
»Begnadigt!« Die dürre, große Frau lachte schrill auf. »Du wärest die Erste, die dieser Bluthund begnadigt. Er hat dir das Leben versprochen, nicht wahr?«
»Ja, das stimmt«, gab Maria zu.
»Wie ich mir’s gedacht habe. Das macht er bei allen, wie’s zu hören ist. Verspricht ihnen das Leben und meint damit das ewige Leben. Das Leben nach dem Tod. Das Leben der Seele, das du angeblich rettest, wenn du gestehst. Nein, du musst dein Geständnis widerrufen.«
»Das kann ich nicht«, wimmerte Maria erschüttert. Sie konnte das alles nicht glauben.
»Warum denn nicht?«
»Weil ich doch die Wahrheit gesagt habe!«
»Was macht das schon für einen Unterschied?«, lachte die Frau. »Es gibt viele Wahrheiten. Such dir halt eine andere aus. Aber denk an meine Worte: Wenn du nicht widerrufst, hast du dein Leben verwirkt. Dieser Richter ist nicht dein Freund, sondern dein Feind. Dein Erzfeind.«
Also widerrief Maria, als sie vor dem Richter, dem Notar und den Schöffen ihr Geständnis vom Vortag freiwillig wiederholen sollte. Mit bangen Augen erwartete sie die Reaktion des Richters.
Er seufzte auf. Dann sah er sie milde lächelnd an. »Warum tust du das, mein Kind? Haben dich die Hexen drunten im Verlies verstockt und aufgehetzt? Fast scheint es mir sicher, dass es so war.«
Woher wusste er das? Hatte er seine Spione dort unten? Oder konnte er in Maria lesen wie in einem aufgeschlagenen Buch?
Sie schüttelte den Kopf, wagte es aber nicht, ein Wort dazu zu sagen.
»Warum willst du dein Leben wegwerfen?«, fragte der Richter und faltete die Hände.
»Wie könnt Ihr mich verbrennen, wenn ich doch nicht gestanden habe?«, fragte Maria vorsichtig.
Der Richter lächelte. »Ah, du hast einen juristischen Verstand. Ja, es stimmt; wir
Weitere Kostenlose Bücher