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Der schwarze Atem Gottes

Der schwarze Atem Gottes

Titel: Der schwarze Atem Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Siefener
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las ihre Taten vor, die sie gestanden hatte. Dann fuhr er fort: »Wegen dieser Taten wirst du, Elisabeth Goltzin, zum Tode verurteilt, doch vor dem Verbrennen wirst du enthauptet. Sieh, welch große Gnade dir das Gericht erweist.«
     
    Die Hexe – ein noch sehr junges Mädchen – brach in Tränen aus. Sie wurde von einem der Büttel neben den Richtertisch geführt. Die Menge zischelte beifällig, und dann setzte ein schreckliches Schweigen ein, während die Verurteilte von dem Büttel genötigt wurde, vor dem Holzblock niederzuknien und den Kopf darauf zu legen.
     
    Der Scharfrichter zog mit einem lüsternen Grinsen das schwere Schwert aus der Halterung und stellte sich neben den Block. Er hob das Schwert mühelos und nahm Maß. Maria wunderte sich über seine Kraft, die sie ihm nicht zugetraut hätte. Er holte aus und hieb zu. Es war ein sauberer Streich. Der Kopf der blutjungen Hexe fiel auf den Boden vor dem Block, und drei oder vier heftige Blutschwalle ergossen sich aus dem Halsstumpf. Die Glieder zitterten ein wenig; dann war der Leichnam ganz still. Der Scharfrichter säuberte das Schwert mit einem Leinentuch und steckte es zurück in die Halterung. Der Büttel nahm zuerst den kopflosen Leichnam, trug ihn hinüber zu einem der Pfähle und band ihn aufrecht daran. Dann holte er auch den Kopf und setzte ihn auf einen kleineren Pfahl vor den Körper, sodass er etwa in Brusthöhe thronte. Nun war die nächste Hexe an der Reihe.
     
    Wolken zogen auf. Es waren seltsame Wolken, wie Maria fand. Schwarze Wolken.
     
    Die Sonne verfinsterte sich; ein Schatten fiel auf den Platz. Viele schauten nach oben. Getuschel erhob sich. Schließlich war der ganze Himmel dunkel; es war wie in der Abenddämmerung. Enttäuschung machte sich breit; die Sicht war nicht mehr gut, und man befürchtete sicherlich einen Platzregen.
     
    Jetzt war Maria an der Reihe. Sie wurde vor den Richter gezerrt. Als er sah, wen er vor sich hatte, fiel die Maske der Güte von ihm ab. »Du hast sogar noch während der Befragung auf teuflische Weise getötet!«, zischte er sie an. »Aber du hast Glück! Ich werde deine Strafe nicht noch erschweren.« Er sah hoch zum Himmel und runzelte die Stirn. Dann verurteilte er sie erneut zum Tod durch Verbrennen. Auch sie wurde angebunden.
     
    Die nächste Hexe neben ihr war Barbara Längin. Sie sollte ebenfalls lebendig verbrannt werden. Die beiden Frauen warfen sich einen Blick zu. Zuerst waren sie misstrauisch, doch schließlich lächelte Maria Barbara schwach an. Barbara erwiderte das Lächeln.
     
    Noch fünf weitere Hexen wurden vorher enthauptet, und schließlich war das Halbrund aus Toten und noch Lebenden vollständig. Immer wieder hatte Maria nach oben geschaut. Was wäre wohl, wenn es wirklich zu regnen begänne, nachdem die Scheiterhaufen entzündet waren? Was wäre, wenn die Flammen ausgingen? Aber – waren das gewöhnliche Regenwolken? Sie sahen eher wie ein schwarzes Leichentuch aus.
     
    Und plötzlich, noch bevor der Richter dem Scharfrichter das Signal zum Entzünden der Scheiterhaufen gegeben hatte, sprang eine bunte Gestalt aus der Menge hinter der Richterbank hervor. Sie tollte wie ein Ball aus andauernd sich ändernden Farben in dem freien Halbrund umher und näherte sich dann wieder dem Richter. Maria sah, wie der Notar das Haupt einzog. Schließlich hielt die Gestalt vor dem Richter an, verbeugte sich tief und zog sich die Kappe vom Kopf. Sie sagte etwas, und der Richter gab eine leise, aber erregt klingende Antwort, wobei er wie eine Taube nickte.
     
    Zwar stand die Gestalt nun mit dem Rücken zu Maria, aber sie glaubte sie trotzdem zu erkennen. Der lose über dem Rücken baumelnde Dudelsack sprach Bände. Ihr Herz tat einen gewaltigen Sprung. Federlin! Es konnte nur Federlin sein! Jetzt drehte er sich um und schaute die Hexen kurz an, eine nach der anderen. Ja, er war es. Auf Maria blieb sein Blick länger ruhen als auf den anderen, und sie glaubte, er habe ihr zugezwinkert. Dann vollführte er noch tollere Sprünge und zog wie aus dem Nichts ein brennendes Schwert hervor. Er lief damit zu dem blutigen Holzblock, schleifte ihn in die Mitte des Halbrunds und stellte sich darauf, sodass die Menge ihn gut sehen konnte. Dann verschluckte er das brennende Schwert und hielt schließlich die Hände hoch, um zu beweisen, dass er das Schwert wirklich nicht mehr besaß.
     
    Ein Teil der Menge murrte, denn das war nicht das Schauspiel, dessentwegen sie hergekommen war. Ein anderer Teil aber

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