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Der schwarze Atem Gottes

Der schwarze Atem Gottes

Titel: Der schwarze Atem Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Siefener
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doch schließlich erkannte er an, dass sein junger und unerfahrener Mitbruder tatsächlich unfreiwillig in die Klauen des Teufels geraten war. Er war nicht zu einem Handlanger, sondern zu einem Opfer des Bösen geworden. Trotzdem haftete ihm nun das Stigma einer Verbindung mit der Unterwelt an.
     
    Immer wieder versuchte Hilarius, Martin den Namen des Kabbalisten zu entlocken, der angeblich die Pforte errichtet hatte, aber er biss auf Granit. Martin wollte mit seiner Enthüllung warten, bis Maria bei ihm war. Am frühen Morgen hatte sich Federlin auf den Weg zur Richtstätte gemacht. Hilarius hatte ihn gefragt, wie er Maria retten wolle, aber der Gaukler hatte bloß gezwinkert und den Finger verschwörerisch an die Lippen gelegt. Danach war er aus dem verlassenen und verfallenen Haus am Ende des Blinden Gässchens verschwunden.
     
    Hilarius schaute versonnen in das flackernde Licht der Kerze; es war schon die zweite, die in diesem dunklen, von allem Licht der Welt abgeschnittenen Haus brannte. Dann rutschte er in seiner Ecke auf den Kissen hin und her. Inzwischen waren sie durchgelegen; aber er war noch zu schwach, um sie aufzuschütteln, denn dafür musste er aufstehen. Trotzdem fühlte er, wie seine Kräfte langsam in ihn zurückkehrten. Dieser teuflische Zwilling trank seine Kraft, so wie er die Seele und die Kraft des Zauberers Laurenz Hollmann getrunken hatte. Doch das war nicht das Schlimmste.
     
    Das Schlimmste waren die Visionen, die der zweite Kopf dem ersten schenkte.
     
    »Was glaubt Ihr?«, fragte Martin, der sich neben dem matten Pater auf den Boden gesetzt hatte. »Was steht uns noch alles bevor?«
     
    »Ich weiß es nicht«, sagte Hilarius müde und drehte sich ein wenig zur Seite, sodass er seinen Mitbruder ansehen konnte. »Wir leben in dunkler Zeit, und ich fürchte, dass noch dunklere Zeiten kommen werden.«
     
    Martin sah ihn zwar mitleidig an, doch in seiner Haltung lag noch mehr als nur das. Angst. Zweifel. Und Abscheu. Abscheu vor Hilarius, dem Juden. Auch das hatte er Martin berichtet. Der junge Mönch hatte es zuerst nicht glauben wollen.
     
    »Was hasst du mehr, Martin?«, fragte der alte Pater. »Die Tatsache, dass ich Jude bin, oder die Tatsache, dass du das nicht gewusst hast?«
     
    Martin gab keine Antwort darauf.
     
    »Wir hassen das, was wir nicht verstehen, Martin«, fuhr Hilarius fort und versuchte, mit der Hand eines der Kissen in seinem Rücken hochzuschieben. Martin half ihm, war aber peinlich darauf bedacht, den Pater nicht zu berühren. »Das ist der Grund, warum das, was ich am tiefsten hasse, ich selbst bin.«
     
    Von der Eingangstür kam ein Geräusch. Martin sprang sofort auf die Beine, ergriff die Kerze und verließ das Zimmer. Ob das Federlin war? Hilarius streckte den Kopf ein wenig vor und sah, wie der Boden im Nachbarzimmer durch einen rasch schmäler werdenden, seltsam blassen Lichtstreifen geteilt wurde, bevor die Dunkelheit wieder zurückschwappte. Er hörte Stimmen. Ja, es war der Gaukler. Und er hörte auch die Stimme Marias.
Dem Himmel sei Dank!,
seufzte Hilarius still.
Dem Himmel?
     
    Nun betraten alle drei unter dem unsicheren Schein der Kerze das Zimmer, in dem der Pater lag. Hilarius bemerkte, dass Maria Martin mit giftigen Blicken bedachte und kein Wort sagte. Ihr kahl geschorener Kopf machte eine Fremde aus ihr und schien Martin zu entsetzen.
     
    »Es hat hervorragend funktioniert«, sagte Federlin frohgemut und spielte an der Pfeife seines Dudelsacks herum. Am liebsten hätte er wohl eines seiner Klageliedchen gespielt, aber sie durften keine Aufmerksamkeit erregen. »Das ist ein Tag, an den Prag noch lange zurückdenken wird.« Dann gab er eine lebhafte Schilderung der Ereignisse.
     
    Schließlich sagte Hilarius zu Martin: »Nun ist es so weit. Wir haben unseren Teil des Vertrages erfüllt. Nenn uns endlich den Namen.«
     
    »Wolf Auerbach«, quetschte Martin zwischen den Zähnen hindurch.
     
    Er versuchte, Maria an der Schulter zu berühren, aber sie zischte ihn an: »Lass mich los, du Verräter!«
     
    »Was habe ich dir denn getan?«
     
    »Mich verraten!«
     
    »Für ein solches Geplänkel haben wir jetzt keine Zeit«, ermahnte Federlin die beiden. »Wir müssen uns sofort auf die Suche nach diesem Auerbach machen. Hilarius, bist du in der Lage, aufzustehen?«
     
    Der Pater versuchte, sich von seinem Lager zu erheben.
     
    Es misslang ihm, und er fiel in die Kissen zurück. Es war, als würden hinter seinen Augen schwarze Staubflocken

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