Der schwarze Atem Gottes
spendete lauten Beifall. Nun hatte er plötzlich drei Kegel in der Hand und jonglierte damit. Die Kegel entzündeten sich in der Luft, doch er jonglierte weiter mit ihnen, ohne sich an ihnen die Hände zu verbrennen. Schließlich warf er sie hoch in die Luft, wo sie mit lautem Knall zerplatzten und einen farbigen Funkenregen auf die Stadt herabsandten. Während viele nach oben schauten – auch der Richter, wie Maria bemerkte, nicht aber der misstrauische Scharfrichter –, sprang Federlin von dem Block herunter und lief an den Hexenpfählen entlang.
Sie bemerkte, wie er dabei etwas in das Reisig zu ihren Füßen schüttete. Sie sah zu den anderen Pfählen herüber. Hatte er dort dasselbe getan? Nichts regte sich, nirgendwo.
Federlin tollte zurück zu dem Block, sprang wieder behände wie ein Affe darauf und zeigte sein letztes Gaukelstück. Er breitete die Arme aus wie der Gekreuzigte. Aus den Fingern schossen kleine Flammen, die sich rasch über die Arme, den Körper und die Beine ausbreiteten, bis Federlin völlig in Flammen zu stehen schien. Ausrufe des Staunens flogen durch die Menge. Dann ruderte Federlin mit den Armen, und die Flammen wurden zu einem Ball, der sich immer schneller drehte. Die Flammenkugel wurde heller und heller und kleiner und kleiner, bis sie schließlich nur noch so groß wie eine Münze war. Sie leuchtete in unglaublicher Helligkeit. Maria musste die Augen schließen.
Als sie sie kurz darauf wieder öffnete, war die Helligkeit verschwunden. Und auch Federlin war nirgendwo mehr zu sehen.
Eine unglaubliche Enttäuschung brandete in Maria hoch. Warum hatte er sie nicht gerettet? Warum hatte er weder für sie noch für eine der anderen Hexen etwas getan? Sie hörte, wie der Richter den Befehl gab, die Scheiterhaufen zu entzünden. Mehrere Büttel kamen mit brennenden Fackeln heran und tauchten sie in die trockenen Reisigstöße. Sie fingen sofort Feuer. Maria hörte die Angstschreie. Auch ihr Scheiterhaufen brannte nun. Sie spürte, wie die schreckliche Hitze an ihren Beinen hochkroch, gierig über ihren Körper leckte und ihr Gesicht mit feurigen Küssen bedeckte. Es war, als würde die Luft selbst brennen.
Dann geschah es.
Aus ihrem lodernden Reisighaufen züngelte eine grüne Schlange hervor. Eine Riesenschlange! Sie reckte sich hoch, bis ihr Kopf mit dem von Maria auf einer Höhe war. Maria sah in zwei böse funkelnde Augen; eine gespaltene Zunge schoss aus dem gespitzten Maul und berührte sie fast. Warum? Warum? Einen anderen Gedanken hatte sie nicht mehr. Sie erwartete ihr Ende – nicht mehr durch das Feuer, sondern durch diesen Schlangendämon.
Doch dann zuckte die Riesenschlange fort von ihr und warf sich auf die gaffende Menge. Maria spürte einen kühlen Hauch. Sie sah an sich herunter. Das Feuer unter ihr war erloschen.
Genauso war es bei den anderen Hexen. Und aus allen Scheiterhaufen wanden sich grässliche Gestalten. Und alle stürzten sie sich auf die Menge. Der Richter, der Scharfrichter und der Notar waren bereits nirgendwo mehr zu sehen.
Es entstand eine Panik. Menschen trampelten in irrer Flucht übereinander her. Die Schreie, die sie ausstießen, waren entsetzlich. Da spürte Maria, wie sich das Seil, mit dem sie an den Pfahl gebunden war, löste und von ihr abfiel. Sie streckte die schmerzenden Hände aus und sah, dass nun alle Hexen befreit waren. Einige liefen kopflos geradewegs in die Menge hinein, andere verschwanden in den engen Gassen hinter der Teynkirche. Barbara Längin war unter ihnen. Sie war das Letzte, was Maria von der wilden Flucht sah. Das Gesicht Federlins tauchte vor ihr auf. Er zog mit einer grotesken Gebärde die Mütze vor ihr und bot ihr seine Hand. Sie ergriff sie, ohne genau zu wissen, was sie da tat. Dann zerrte er sie auf die stillen Bereiche der Stadt zu.
Sie warf einen Blick zurück auf den Platz vor der Teynkirche.
Es war ein Blick in die Hölle.
33. Kapitel
Es war Hilarius entsetzlich schwergefallen, seinem jungen Gesellen alles zu berichten, was seit ihrer unfreiwilligen Trennung vorgefallen war. Zuerst hatte der alte Pater geglaubt, Martin sei tatsächlich zum Feind übergelaufen und habe sich mit dem Teufel verbündet, doch nach eindrücklichen und unter Eid geleisteten Beteuerungen seines Mitbruders hatte er sich dazu entschlossen, mit halbwegs offenen Karten zu spielen. Es ekelte ihn bei dem Gedanken, was Martin mit diesem Succubus getrieben haben mochte,
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