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Der schwarze Atem Gottes

Der schwarze Atem Gottes

Titel: Der schwarze Atem Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Siefener
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Bart war ungewöhnlich; ansonsten konnte er nun ohne Weiteres als Jude durchgehen, wenn er nicht den Mund aufmachte. Er setzte sich wieder und ruhte sich von dieser Anstrengung aus.
     
    Es klopfte an die Tür der Kammer. »Ist alles in Ordnung?«, fragte Federlins Stimme.
     
    Brummend erhob sich Hilarius und trat nach draußen. Zusammen mit dem Gaukler kehrte er in den Eingangsbereich des Ladens zurück, wo der Trödler auf sie wartete. Martin und Maria redeten noch immer kein Wort miteinander; sie standen draußen inmitten des wertloseren Plunders, der wie eine Zunge über die Straße leckte.
     
    »Der Himmel sieht nicht gut aus heute«, sagte Aaron Wasserbaum und zeigte mit einem stockdürren Finger nach oben. »Die Leute reden darüber.«
     
    Woher will er das wissen?,
fragte sich der Pater. Weder in der Gasse noch im Laden war jemand.
     
    »Ihr aber seht gut aus«, sagte der Trödler zu Hilarius und nannte sofort darauf den Preis für die Kleidungsstücke, die der Pater ausgesucht hatte. Die Summe war recht hoch, und natürlich hatte Hilarius kein Geld. Hilfesuchend schaute er Federlin an. Der Gaukler nickte und kramte in seinem Ranzen herum. Er überreichte dem Trödler ein Goldstück von einer Art, die Hilarius nicht kannte.
     
    »Das ist zu viel«, sagte Wasserbaum. »Viel zu viel.«
     
    »Ich weiß«, erwiderte Federlin. »Es ist nicht nur die Bezahlung für die Kleider, sondern auch für einige Informationen.«
     
    »Ich hoffe, dass ich dir helfen kann«, sagte der Trödler. »Ich hoffe es aus tiefstem Herzen.«
     
    »Wir suchen einen Kabbalisten namens Wolf Auerbach. Kennst du ihn?«
     
    »Er ist wohl eines der seltsamsten und ungreifbarsten Geschöpfe der Judenstadt. Ich glaube nicht, dass dir jemand anderes als ich Auskunft über ihn geben kann«, meinte Wasserbaum nicht ohne Stolz.
     
    »Wo ist er?«, fragte Hilarius ungeduldig dazwischen und erhielt dafür von Federlin einen missbilligenden Blick.
     
    »Wolf Auerbach ist ein unberechenbarer Mann«, fuhr der Trödler fort und kraulte sich den weißen Ziegenbart. »Er kommt manchmal her, wenn er Dinge sucht, die er nirgendwo sonst auftreiben kann.«
     
    »Was für Dinge?«, fragte Federlin.
     
    »Gegenstände, die er für seine Forschungen braucht – und natürlich Bücher. Das Sefer Jezirah zum Beispiel oder den Bahir oder andere derartige Werke. Durch mich hat er eine beachtliche kabbalistische Bibliothek erworben, die er sorgsam vor allen Blicken verbirgt. Selbst der hohe Rabbi Löw weiß nicht, was für ein Schatz sich innerhalb der Mauern der Judenstadt befindet. Er kann zwar einen Golem erschaffen, und er kann in die Herzen der Menschen schauen, aber er vermag es nicht, ihre geheimsten Gedanken zu lesen. Wolf Auerbach vertraut niemandem, und selbst ich weiß kaum, mit welchen Dingen er sich abgibt.«
     
    »Was vermutest du?«, fragte Federlin.
     
    »Ich vermute das Schlimmste«, antwortete der Trödler.
     
    »Was ist das Schlimmste?«, wollte Hilarius wissen, während er versuchte, auf dem harten, knarrenden Stuhl eine bequeme Position einzunehmen.
     
    »Wolf Auerbach war schon immer ein Mann mit großen Plänen«, sagte Wasserbaum ausweichend. »Ich glaube, sein größter Wunsch ist es, Gott zu schauen, wie es die MerkabaMystiker getan haben und wie es in den Kleinen und Großen Hechaloth und im Schi’ur Koma niedergelegt ist. Doch der Weg ist unendlich gefährlich für die Seele. Ich habe den großen Rabbi Löw einmal sagen hören, dass in unserer Zeit niemandem mehr das Schauen des Antlitzes Gottes gelungen ist. Hakkarat Panim, die Erkenntnis des Gesichts, das ist es, was Wolf Auerbach will. Er will Gott von Angesicht zu Angesicht gegenüberstehen. Und gleichzeitig will er den göttlichen Funken in die Welt bringen. Schon seit Längerem gibt es bei uns Gerüchte über die baldige Ankunft des Messias.«
     
    »Braucht man dafür die Sefiroth?«, fragte Hilarius, dem dieses Gespräch bereits viel zu lange dauerte.
     
    Aaron Wasserbaum hob verwundert die Augenbrauen. »Die Sefiroth? Ihr kennt Euch in der jüdischen Mystik aus? Wie wunderbar! Wir müssen uns darüber einmal ausgiebig unterhalten!«
     
    »Braucht man sie oder braucht man sie nicht?«, fragte Hilarius ungeduldig.
     
    Der Trödler streckte den Kopf ein wenig hervor und schaute unter dem vorhängenden Dach hindurch auf das Stückchen dunklen Himmels, das man von hier aus sehen konnte. »Die Welt ist dunkel geworden. Der Mittag ist zur Nacht geworden.« In der Ferne

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