Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der schwarze Atem Gottes

Der schwarze Atem Gottes

Titel: Der schwarze Atem Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Siefener
Vom Netzwerk:
hatte großen Durst. Und großen Hunger. Doch auf dem Tisch befanden sich nur eine große Menge Brot, ein wenig Geflügel und eine Schale mit Knoblauch und Zwiebeln. Nachdem sie getrunken hatten, verteilte der Rabbi das Fleisch, ohne sich selbst davon zu nehmen; dazu reichte er das Brot herum. »Bestes Barches«, sagte er dazu. »Mit Knoblauch schmeckt es noch mal so gut. Und auch mit Zwiebeln …«
     
    Es war ein weiches Weißbrot, das in der Tat zusammen mit den kleinen, scharfen Knoblauchstückchen hervorragend mundete. Maria aß sich satt, während sie verstohlen den Grafen und seine Begleiterin beobachtete. Die beiden schienen sich hier nicht sonderlich wohlzufühlen; vor allem die schöne Frau aß außer einem winzigen Stück trockenen Brotes überhaupt nichts. Sie rutschte unruhig auf ihrem Stuhl herum und warf begehrliche Blicke auf den Rabbi und auf Martin. Federlin schien ihr ebenfalls nicht zu gefallen. Sie saß neben ihm und schob ihren Stuhl immer wieder ein kleines Stück von ihm fort.
     
    »Was gäbe ich für einen anständigen Schweinebraten«, murmelte Martin, der Maria gegenübersaß.
     
    »Den werdet Ihr innerhalb der Mauern der Judenstadt nicht finden«, sagte Lurja, der gute Ohren zu haben schien. »Wir Ihr vielleicht wisst, ist es uns verboten, Fleisch von Schweinen zu essen. Rein sind für uns nur die Wiederkäuer mit gespaltenen Klauen. Aber nun sagt mir, weswegen Ihr hier seid.«
     
    Federlin ergriff das Wort, nachdem er den letzten Bissen mit einem Schluck Wein heruntergespült hatte. Er berichtete dem Rabbi von Wolf Auerbach und dessen kabbalistischen Versuchen. »Ihr wisst davon, nicht wahr?«
     
    »Wer hat Euch das gesagt?«, fragte Rabbi Lurja zurück.
     
    »Das ist unwichtig. Wir wissen es halt. Und wir suchen Auerbach; es ist sehr dringend.«
     
    Der Rabbi schaute von einem zum anderen. Bei Maria verweilte sein Blick etwas länger als bei den anderen, und sie glaubte, Wohlwollen darin zu sehen. Der Rabbi war ein nicht unschöner Mann. »Ihr seid eine seltsame Gesellschaft«, sagte er und schüttelte den Kopf. »Ihr seid ein Gleichnis für den Zustand der Welt.«
     
    »Stimmt es, was man über den Kabbalisten Auerbach sagt?«, fragte Hilarius mit leiser, gequälter Stimme. Nun, da er seine strenge Kutte nicht mehr trug, wirkte er auf Maria vertrauenerweckender, doch er schien große Schmerzen zu leiden. Manchmal hatte sie den Eindruck, dass sich sein Bauch von selbst bewegte.
     
    »Was sagt man denn über ihn?«, gab der Rabbi zurück und nahm noch einen Schluck Wein. Dann legte er sich ein weiteres Weißbrotstück auf den silbernen Teller.
     
    »Dass er nicht nur versucht hat, Gott zu schauen, sondern auch mit ihm zu kommunizieren«, antwortete Hilarius noch leiser als zuvor.
     
    »Tun wir das denn nicht alle, wenn wir beten?«, wand sich der Rabbi und biss in das Brot.
     
    »Aber da ist noch mehr«, wisperte Hilarius. Er hielt sich an der Tischplatte fest; die Knöchel seiner Hände stachen weiß hervor. Schweiß glänzte auf seinem Gesicht. »Was wisst Ihr über die Ankunft des Messias?«
     
    Der Rabbi legte das Brotstück zurück auf den Teller, faltete die Hände zu einem Dach und legte das Kinn darauf. »Der Messias? Wir erwarten ihn, das wisst Ihr doch. Und es geht das Gerücht, dass seine Ankunft kurz bevorsteht. Aber andererseits gibt es dieses Gerücht schon sehr lange.«
     
    »Könnte es … durch das Verschwinden … des Wolf Auerbach neue Nahrung … erhalten haben?«, fragte Hilarius mühsam.
     
    »Wollt Ihr damit sagen, dass er es darauf anlegt, die Ankunft des Messias zu beschleunigen?«, fragte Rabbi Lurja überrascht und riss die Augen auf. Dann legte er die Stirn in Falten und murmelte: »Wenn ich es mir recht überlege … das Gehen zu Gott … Es war schon immer sein Wunsch, die Welt zu verändern … Nein, das ist einfach zu ungeheuerlich. Das kann ich nicht glauben.«
     
    »Ich glaube, wir haben lange genug um den heißen Brei herumgeredet«, schaltete sich der Graf ein. »Wo ist Auerbach jetzt?«
     
    Das Donnern draußen in der Ferne wurde lauter.
     
    »Wollt ihr alle dasselbe von ihm?«, fragte Lurja und sah von einem zum anderen. Bei Maria verweilte er wieder einmal etwas länger und lächelte sie zaghaft an.
     
    »Was ist das für ein Geräusch?«, fragte sie in die lauschende Stille hinein.
     
    Statt eine Antwort zu geben, stand Lurja auf und ging ans Fenster. Er drückte einen Flügel nach außen auf und streckte den Kopf

Weitere Kostenlose Bücher