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Der schwarze Atem Gottes

Der schwarze Atem Gottes

Titel: Der schwarze Atem Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Siefener
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Spektakel, bei dem ihr euch vor Vergnügen biegen werdet und an dem auch eure Geistlichkeit nichts auszusetzen haben wird.«
     
    Zuerst schwieg die Menge betreten, doch dann erhob sich ein Murren, das immer lauter wurde. Der Bürgermeister lief rot an. »Wie kannst du es wagen, meine Autorität zu untergraben, du Wicht!« Aber nun wollte sich die Menge nicht mehr beruhigen. »Lasst sie spielen«, ertönte eine Stimme aus ihrer Mitte. Beifall erklang. Der Bürgermeister schoss wütende Blicke in die Menge, doch langsam schien er zu begreifen, dass er dieses Scharmützel verloren hatte.
     
    »Nun gut«, brummte er missmutig. »Aber nur heute Abend.« Damit wandte er sich ab, und die Stadtwache geleitete ihn durch die noch immer grummelnde Menge, die sich bald darauf ebenfalls zerstreute.
     
    »Bis heute Abend!«, schrie Teuffel ihnen hinterher. »Sagt es allen weiter. Wenn die Uhr neun geschlagen hat, versammelt euch hier vor der Kirche.« Dann wandte er sich an Martin und meinte: »Na, da habe ich mich wohl schwer in dir getäuscht. Bist ja ein ganz patenter Kerl. Jetzt stehe ich in deiner Schuld.«
     
    Martin lächelte ihn an. »Ich werde Euch zu gegebener Zeit daran erinnern.« Wieder sah er Maria an. Ihr Blick war die Einladung des Himmels an den armen Sünder. Dann fiel Martin in sich zusammen. Es war, als sei seine ganze Kraft auf einen Schlag aus ihm gewichen. Er wandte betreten den Blick von Maria ab und ging fort.
     
      
    »Was macht Ihr denn, wenn Ihr in katholischen Gebieten spielt?«, fragte Martin, während er Teuffel und den anderen dabei half, im letzten Licht des scheidenden Tages die Bühne an der Nordseite der Kirche zu errichten.
     
    »Ganz einfach«, antwortete Teuffel, der gerade den Hammer schwang und eine widerspenstige Bohle mit einigen gut gezielten Schlägen in die richtige Position brachte. »Manchmal spielen wir andere Komödien; dann haben wir keine Probleme mit den verschiedenen Konfessionen. Aber wenn wir unser erfolgreichstes Spiel – den Antichrist – vor den Katholiken bringen, machen wir aus dem Papst und den Bischöfen einfach Luther und seine Vasallen. Das ist doch im Grunde alles dasselbe.«
     
    »Da bin ich anderer Ansicht«, sagte Martin scharf.
     
    »Ist es denn wirklich so wichtig, wie man glaubt, wenn doch das, woran man glaubt, dasselbe ist?«, gab Federlin zu bedenken, der gerade die Rückwand der Bühne mit Stoffbahnen umkleidete. »Übrigens haben Klaus und ich ein ziemliches Aufsehen erregt. Ich glaube, dass wir viele Zuschauer herbeilocken werden.«
     
    Es wurde immer dunkler; sie mussten sich mit dem Aufbau beeilen.
     
    Als schließlich alles fertig war, entzündeten Adam, Klaus und Barthel unzählige Pechfackeln, die die Bühne in ein Spiel aus Licht und Schatten verwandelten. Auf ihr sah man einen Höllenrachen, einen Thron, den Teil eines bäuerlichen Zimmers in einer Ecke und eine elegante, ebenfalls unvollständige Einrichtung aus billigem, bemaltem Holz und Papier, die das Innere eines Palastes vorstellen sollte.
     
    Die ersten Zuschauer trafen bereits ein; Walpurg ging zwischen ihnen umher und kassierte mit verführerischem Augenaufschlag und extrem tiefem Ausschnitt die Eintrittsgelder. Da sogar noch kurz vor dem Beginn der Vorstellung Zuschauer kamen und Walpurg sich für die Aufführung zurechtmachen musste, bat sie Maria, bei ihnen das Geld zu verlangen. Die Leute schienen gern zu zahlen.
     
    Martin begab sich hinter die Bühne. Im Rücken hatte er die dunkle Nordfassade der Stadtkirche, die sich wie ein Gebirge in den schwarzen Himmel hob und nur unregelmäßig von den an der Bühne und auf dem Platz verteilten Fackeln in rötlichem Aufzucken aus der Finsternis gerissen wurde. Martin hatte sich bereit erklärt, den Mönch zu spielen, damit seine kecke Behauptung vor dem Bürgermeister Bestand hatte. Diese Suppe hatte er sich selbst eingebrockt. Wenn ihm noch vor wenigen Wochen ein Mitbruder geweissagt hätte, dass er einmal auf Bühnenbrettern stehen und einen triebhaften Mönch spielen würde, so hätte Martin ihn für verblendet und vom Teufel besessen erachtet. Und nun würde er bald jene Bretter erklettern, die für einige Leute wirklicher als die wirkliche Welt waren, und den stumpfsinnigen Text aufsagen, den Teuffel selbst geschrieben hatte, und sich dabei angeblich von einer drallen Dämonin zu den widernatürlichsten Ausschweifungen verführen lassen, um dem Antichrist den Weg zu ebnen. Es schauderte ihn.
     
    Vor der Bühne ertönten

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