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Der schwarze Atem Gottes

Der schwarze Atem Gottes

Titel: Der schwarze Atem Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Siefener
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anders vorgestellt.«
     
    Als sie sich dem zweiten Tor näherten, schwang dieses wie von Geisterhand auf. Sofort schritten sie hindurch. Es schloss sich unmittelbar hinter ihnen.
     
    Jetzt standen sie in einer anderen Welt. Rasen, ein Springbrunnen, Kies, Hecken und Gebüsch, Vogelgezwitscher. Niemand war zu sehen. Der Lärm des ersten Hofes drang nur gedämpft bis hierhin. Die drei Abgesandten überquerten eine weite Kiesfläche vor dem Portal, das nun langsam aufschwang. Ein Mohr in einem reichen Seidengewand machte einen tiefen Diener und winkte die drei heran. Sie schauten sich an; dann schritt Teuffel die kleine Treppe zum Portal hoch. Martin und Renata folgten ihm.
     
    Der Mohr sagte nichts; vielleicht war er stumm. Er geleitete die Besucher in einen riesigen, gewölbten Saal und gab ihnen durch Handzeichen zu verstehen, dass sie hier eine Weile warten sollten. Dann zog er sich zurück.
     
    Kurz darauf trat der Graf ein. Sein schmales, spitzes Gesicht, seinen dunklen, sorgfältig gestutzten Bart, der so seltsam fehl am Platze wirkte, und seine bösartig funkelnden Augen hätte Martin an jedem Ort der Welt sofort wiedererkannt. Und auch seine tiefe, volle Stimme. Der Adlige stellte sich vor Renata und sagte: »Es wurde mir hinterbracht, dass ihr mich mit einem Schauspiel beglücken wollt.« Er wandte den Blick nicht von der aufregenden Gestalt der Schauspielerin ab.
     
    »Das ist richtig«, antwortete Teuffel und kratzte sich zögernd den kahlen Kopf oberhalb des Haarkranzes. In der Gegenwart dieses Grafen schien er, der sonst um keine Worte verlegen war, unsicher zu werden. »Wir möchten … ja, wir wollen ein Stück zur Freude Eurer Herrlichkeit … ein Stück …«
     
    »Wie heißt denn das Stück?«, fragte der Graf amüsiert. Noch immer schaute er Renata an, die ihr strahlendstes Lächeln aufgesetzt hatte. Die dunklen Augen unter den schwarzen Brauen schienen geradezu zu leuchten. Sie streckte die Brust so weit wie möglich hervor.
     
    »Das Stück … nun ja, es heißt: ›Der Antichrist‹. Ich habe es selbst geschrieben – nach den bekannten Vorlagen natürlich, aber ich glaube, mir sind da ein paar höchst vergnügliche neue Szenen gelungen«, antwortete Teuffel, der langsam wieder zu sich selbst zu finden schien.
     
    »Der Antichrist! Wie originell!« Der Graf legte beide Hände an den ledernen Gürtel, der um sein Wams lag, und hielt dadurch seinen Pelzmantel vorn offen. Martin sah, dass an diesem Gürtel ein schwerer Bund mit einigen großbärtigen Schlüsseln herabhing. Und ehe er sich’s versah, stand der Graf vor ihm und schaute ihn fragend an. »Gibt’s etwas an mir, das dein Gestarre rechtfertigt, Knabe?«, wollte er wissen. Martin sah ihm in die Augen. Hatte der Graf ihn erkannt? Da war etwas in seinem Blick, das Martin mit den schrecklichsten Befürchtungen folterte.
     
    »Nein, Euer Hochwohlgeboren«, antwortete Martin rasch. »Es ist nur so, dass … dass ich noch nie einen so beeindruckenden Adligen gesehen habe, wie Ihr es seid.«
     
    Graf Albert von Heilingen lächelte. »Nun gut. Wie ihr alle wisst, bin ich ein Freund der schönen Künste.« Dabei trat er von Martin zurück und stellte sich wieder nahe vor Renata. »Vor allem, wenn diese Künste von derart hübschen Kindern gepflegt werden. Ihr habt also meine Erlaubnis. Wann wollt ihr spielen?«
     
    »Am liebsten schon heute Abend – im Schein der Fackeln. Das ist unsere ganz besondere Spezialität, die die Aufführung zu einem außergewöhnlichen Erlebnis macht«, beeilte Teuffel sich zu sagen.
     
    »Einverstanden. Das passt mir gut. Ihr werdet im zweiten Hof spielen, direkt vor dem Schloss. Wenn ihr wollt, könnt ihr im ersten Hof nächtigen. Im Stall werden noch ein paar Ballen Stroh frei sein.« Dabei zwinkerte er Renata zu. Er hatte wohl nicht vor, auch sie im Stroh übernachten zu lassen. Sehr gut , dachte Martin. Wenn er an ihr Gefallen hat, wird es leichter sein, ihn zu hintergehen und die Befreiungsaktion durchzuführen.
Falls Hilarius überhaupt noch hier im Schloss ist!
     
    Der Graf entlohnte Teuffel erstaunlicherweise bereits im Voraus mit einer prallen Geldkatze für das zu erwartende Spektakel und verabschiedete sich höflich; angeblich riefen ihn dringende Geschäfte. Der Mohr geleitete alle drei an das Portal. Nun musste Martin sich unbedingt absetzen und nach Hilarius suchen. Der Mohr öffnete das schwere Tor. Wenn Martin nun ebenfalls die Burg verlassen musste, würde er Hilarius nie finden. Er

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