Der schwarze Atem Gottes
ausreicht.«
Das wurde ja immer entsetzlicher!
Hilarius schnappte nach Luft. Eine solche Blasphemie hatte er noch nie gehört.
Der Graf fuhr fort: »Wenn die Zeugung an der Schwelle der Pforte geschieht, reicht dies nach der einhelligen Meinung aller Kabbalisten aus, um die Pforte zu vernichten. In diesem Augenblick der Zeugung wendet sich das reine Gute, das in die Welt gekommen ist, gegen die Bestrebungen Gottes, die Welt zu vernichten. Er hat die Möglichkeiten bereitgestellt, dass uns der Messias geboren wird; Gott will es. Und wenn es geschieht, bevor das Tor geöffnet ist, wird es Gott besänftigen, und das Tor wird in sich zusammenfallen und die Herrschaft der Rache und des Bösen wäre gebrochen.«
»Ich verstehe immer noch nicht, was ich mit der ganzen Sache zu tun habe«, fragte Hilarius heiser; er konnte sich nur mühsam beherrschen, nicht loszubrüllen und sich auf diesen Erzketzer zu stürzen und ihn für seine schändlichen Reden gebührend zu bestrafen. Warum ließ Gott nicht einfach einen Blitz auf diesen Verräter alles Wahren und Guten niederfahren?
Wollte Gott etwa hören, was er zu sagen hatte?
»Nun, das ist ganz einfach«, sagte der Graf schmunzelnd. »Ihr werdet es sein, der den Messias zeugt.«
Hilarius verschlug es die Sprache.
Albert von Heilingen fuhr fort: »Ich sehe, dass Euch diese Vorstellung gar nicht einmal so unangenehm ist. Stellt Euch nur vor: Ihr wäret der Vater des wahren Messias! Die ganze Geschichte würde umgeschrieben, und Euer Name würde eine herausragende Stellung in den neuen Heiligen Büchern haben!«
»Warum gerade ich?«
»Weil Ihr ein Wesen zweier Welten seid, das wisst Ihr genau.«
Woher konnte der Graf von seiner Missbildung erfahren haben? Hatte er recht? Die Gedanken, die auf Hilarius einströmten, waren wie ein Wasserfall, der einen Damm durchbricht. Die endgültige Erlangung der Heiligkeit! Vater des Messias! Und dazu: mit einer Frau schlafen! Wie sehr hatte er sich das immer gewünscht, doch das einzige Mal, da er es versucht hatte, war die Frau schreiend weggelaufen, als sie den leblosen zweiten Kopf auf seinem Bauch gesehen hatte. Dabei war Hilarius doch so empfänglich für die Reize der Weiber! Er wusste, wie viele Brüder schon Kontakt mit dem anderen Geschlecht gehabt hatten, und wenn sie ihr Gelübde nicht kümmerte, dann konnte es auch Hilarius egal sein. Sogar Abt Odilo von Braunfels ließ sich zu den Spielen der Liebe hinreißen, sooft sich ihm eine Möglichkeit dazu bot. Aber es war doch unmöglich, dass sich alle Theologen der vergangenen Jahrhunderte geirrt hatten. Nein …
Der Graf unterbrach seine wirren Gedanken: »Ich habe Euch gezeigt, wie Ihr die Welt retten und in die Heiligen Bücher Eingang finden könnt, was für Euch doch sehr reizvoll sein müsste. Wenn Ihr aber ablehnt, werdet Ihr der Grund für den Untergang der Welt und das Heraufdämmern des Antichrist sein. Seine Ankunft wird in unserer Welt vorbereitet – durch jene Wesen und Kräfte, die bereits durch die Pforte sickern.«
»Warum sollte ich Euch glauben? Warum kann nicht jemand anderes die angeblich notwendige Vaterschaft übernehmen?«
»Weil nur Ihr allein dazu auserwählt seid – aufgrund Eurer körperlichen und geistigen Eigenschaften. Ihr wisst genau, dass in Euch zwei Seelen und zwei Menschen wohnen. Und Ihr werdet noch genug Zeit für die Feststellung haben, dass sich diese beiden Seelen und diese beiden Menschen stark voneinander unterscheiden. Ihr verkörpert das göttliche und das teuflische Prinzip in Euch und seid daher wie Gott selbst, bei dem das Böse und das Gute nur jeweils eine Seite derselben Münze ist. Es gibt auf dieser Welt wohl keinen anderen Menschen wie Euch. Und nur aus dieser Mischung der beiden Prinzipien kann der Messias hervorgehen.«
»Eure Rede ist des Teufels! Ich glaube Euch kein Wort! Ihr seid wahnsinnig!«
»Nein. Die Welt ist wahnsinnig. Zumindest wird sie es, wenn wir nichts tun. Während wir hier reden, rückt der Zeitpunkt immer näher, zu dem die Pforte geöffnet wird.«
»Wann wird das sein?«
»Das weiß niemand. Es wird wohl dann geschehen, wenn die Kräfte des Bösen, die sich hinter der Pforte sammeln, stark genug geworden sind, um sie zu durchbrechen, wobei ihnen jene Kreaturen, die bereits unter uns weilen, helfen werden.«
»Warum müssen sie sie denn durchbrechen, wenn doch das Böse schon durch die Pforte hindurchsickert und die
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