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Der schwarze Atem Gottes

Der schwarze Atem Gottes

Titel: Der schwarze Atem Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Siefener
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geringste Geräusch. Das Summen war erstorben.
     
    Oder?
     
    War da nicht ein Rumpeln weit hinter ihm? Ein Poltern und Schleifen? Ein Zerren und Jaulen? Und kam es nicht ungeheuer rasch näher?
     
    Martin rannte keuchend weiter. Tränen flossen ihm über die Wangen. Wie sehr wünschte er sich die Geborgenheit seines Klosters zurück. Doch dann durchlief ihn ein Zittern. Er bemerkte, dass er sich im Lauf versteifte, dass er größer wurde, und die Angst glitt von ihm ab wie eine alte Schlangenhaut. In diesem Augenblick sah er weit vor sich einen fahlen Lichtschein. Er lief darauf zu. Es war tatsächlich die nach oben führende Treppe mit der halb offen stehenden Tür an ihrem oberen Ende. Martin löschte die Fackel in einem neben der Treppe stehenden Wassereimer, steckte sie zurück in die Wandhalterung und lief nach oben. Wo sollte er nun suchen?
     
    Er lief durch verlassene Korridore, durch hallende Gänge, die kaum weniger düster waren als die unterirdischen, kam an Zimmern vorbei, die im Sonnenschein badeten und in denen Gruppen von Leuten den unterschiedlichsten Beschäftigungen nachgingen, und einmal bemerkte er sogar ein Mitglied der Mordbande, die den armen Pater entführt hatte; es war Hütlein. Der Spießgeselle sah Martin kurz an, hatte ihn aber offensichtlich nicht erkannt.
     
    Schließlich hörte der junge Mönch hinter einer verschlossenen Tür im ersten Obergeschoß eine Stimme, die er nur zu gut kannte. Er war schon an der Tür vorübergelaufen, als er begriff, wem die Stimme gehörte und was sie sagte: »Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen? Stöhnend klage ich, aber die Hilfe bleibt fern …« Derjenige, der da den 30. Psalm betete, konnte nur Pater Hilarius sein. Sofort rannte Martin die wenigen Ellen zurück zu der Tür, schaute nach rechts und links, doch niemand war zu sehen; überhaupt schien dieser Flügel der Burg unbewohnt zu sein. Martin rüttelte am Knauf der Tür, doch natürlich war sie verriegelt. Dann klopfte er gegen das harte Holz.
     
    »… ich rief zu dir, o Herr; ich flehte meinen Gebieter …« Die Stimme brach ab.
     
    Der junge Mönch klopfte noch einmal und legte das Ohr an das kalte Holz. Er hörte, wie sich dahinter etwas raschelnd bewegte. »Pater Hilarius?«, sagte er gedämpft. »Seid Ihr es? Hier ist Euer treuer Diener Martin.«
     
    Jetzt klang die Stimme hinter der Tür näher. »Martin? Bist du das wirklich? Wie hast du hergefunden?«
     
    »Das ist eine lange Geschichte. Passt auf! Heute Nacht wird eine Schauspielertruppe unten vor der Burg das Spiel vom Antichrist geben …«
     
    »Das Spiel vom Antichrist?«, unterbrach Hilarius’ Stimme ihn. »Das ist gut!« Er lachte auf; es klang, als lachten tausend Teufel mit ihm.
     
    »… und während dieser Aufführung werde ich versuchen, Euch zu befreien. Haltet Euch also bitte bereit.«
     
    »Mich befreien?« Die Stimme hinter der Tür schien voller Zweifel zu sein.
     
    »Ja. Euer Martyrium wird bald ein Ende haben.«
     
    »Das wage ich zu bezweifeln, mein lieber Martin.«
     
    »Geht es Euch gut?«, fragte Martin besorgt.
     
    Wieder ertönte dieses unmenschliche Lachen. Ob es von dem zweiten Kopf des Paters kam? Martin überlief eine Gänsehaut. »Wie dem auch sei; wir werden uns bald wiedersehen. Wir haben einen Plan. Bitte haltet aus.«
     
    Hilarius stieß ein Grunzen aus, das eher Ablehnung als freudige Hoffnung auszudrücken schien. Verwirrt kratzte sich Martin knapp unterhalb seiner Mütze am kahlen Kopf. Mit einer solchen Reaktion hatte er nicht gerechnet.
     
    Jemand kam heran; das Geklapper von Stiefeln war deutlich zu hören. Martin wich von der Tür und ging langsam den Gang herunter, bis er an eine Biegung kam.
     
    Josef, der Anführer der Bande, tauchte plötzlich vor ihm auf; in der Hand hielt er ein Tablett mit einer Schüssel voller Brei und einem Bierhumpen darauf. Er blieb stehen und sah Martin blinzelnd an.
     
    Himmel! War nun alles aus? Martin schluckte, wünschte dem Mörder einen guten Tag und ging mit erhobenem Haupt an ihm vorbei. Er spürte, wie Josef ihm nachschaute. Hatte er den jungen Mönch wiedererkannt? In Martin wurde der Drang, wegzulaufen, übermächtig, doch er zwang sich, mit ruhigen, wohlabgemessenen Schritten seinen Weg zu nehmen, um bloß nicht aufzufallen. Erst als er eine weitere Biegung des Ganges hinter sich gelassen hatte, wagte er einen Blick zurück.
     
    Von Josef war nichts zu sehen; niemand verfolgte Martin. Er atmete auf und beeilte sich nun,

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