Der schwarze Ballon
liebevoll.«
Sie quetschte eine großzügige Portion (genau, wie es auf der Flasche steht) in den Wattebausch. Bevor sie mir das Zeug ins Gesicht schmieren konnte, sprang ich auf und ging durch den Raum. Ich kann Manipulation nur bis zu einem gewissen Grad ertragen. »Ich weigere mich, eine Rolle in deinem Frankenstein-Film zu spielen. Mein Gesicht gehört mir. Laß uns jetzt essen gehen. Jetzt sofort. Ich mach’ die Tür auf.«
Sie fingerte mit dem Wattebausch. »Komm her, Wanda«, sagte sie.
»Nein.«
»Sofort.«
Ich ging zurück und setzte mich wieder hin. Ich hielt ihr mein Gesicht hin. Wenn sie eine Szene machen wollte, na schön. Aber sie würde alles wiederkriegen.
Sie fuhr mit dem Wattebausch über mein Gesicht. Er fühlte sich glitschig und kalt an. Das Zeug brannte unter meinen Augen. Sie tränkte den Wattebausch neu. »Das letzte Mal habe ich dich heulen sehen, als du dir mein Bügeleisen auf den Fuß fallen gelassen hast«, bemerkte sie.
Ich fand das Prickeln auf meiner Haut angenehm. Ich sagte: »Eine meiner Klientinnen ist gestern nacht erwürgt worden.«
Sie nahm die Hände von meinem Gesicht. Einen Moment lang herrschte Schweigen. Dann kreischte sie: »Das war’s. Das reicht. Schluß damit. Hörst du? Jetzt ist Schluß mit dieser bescheuerten Schnüffelei. Ich hasse das. Ich will das nicht, ich dulde das nicht, ach, was sag’ ich, ich verbiete dir, daß du deinen brillanten Geist weiter auf so lächerliche Weise verschwendest. Hörst du? Nicht eine Sekunde mehr. Als erstes schaffen wir dein Zeug aus diesem jämmerlichen Büro und aus dieser widerlichen Umgebung. Shlomo wird deine restliche Miete bezahlen. Dann kommst du mit mir nach Brooklyn, und dann werden du und ich uns so lange bei jeder juristischen Fakultät in diesem Land bewerben, bis dich eine annimmt. Ich werd’ dich in deine Wohnung einschließen und dich so lange nicht rauslassen, bis du deine Bewerbungsschreiben fertiggeschrieben hast. Und dann, im September, wenn wir dich zu deiner Uni fahren, mit verriegelter Kindersicherung, werde ich in einem Zimmer mit dir im Studentenwohnheim wohnen und aufpassen, daß du immer deine Hausaufgaben machst. Und danach werde ich dir so lange im Nacken sitzen, bis du einen anständigen Job gefunden hast.«
Ich sagte: »Santi, mach halblang.« Sie trieb es mit ihrem Bemutterungstick langsam zu weit.
»Was machst du, wenn dieser Würger hinter dir her ist?« fragte sie.
Ich stand auf und sagte: »Niemand ist hinter mir her. Ich bin nicht gerade die große Nummer hier.« Ich ließ die Hand durch das Büro schweifen. Das beruhigte sie für einen Moment. »Und außerdem bin ich sowieso aus der Sache raus. Belle kann mich schließlich nicht aus dem Grab heraus anheuern.«
»Gott sei Dank«, sagte Santi.
Sie faßte mich erneut beim Kinn und neigte meinen Kopf nach links und nach rechts. Sie räumte den Gesichtsreiniger weg und holte ein Make-up heraus. »Was macht Alex?« fragte sie.
»Er nervt.«
»Eheknatsch?«
»Wir sind Freunde.«
»Shlomo und ich dachten, du und Alex, ihr wärt zusammen.«
Ich sagte: »Wie kommt ihr denn darauf?«
Sie sagte: »Ihr verbringt soviel Zeit zusammen.«
»Wir arbeiten zusammen«, erwiderte ich.
Sie hantierte mit dem Make-up herum. »Du hast so weiße Haut«, sagte sie. »Alabaster. Du siehst aus, als wärst du längere Zeit im Knast gewesen. Aber das ist gut. Kriegst du später keine Falten. Bleib aus der Sonne raus. Hör’ auf mich. Das ist mein Job. Glaub’ mir, es macht mehr Spaß, dich gratis zu behandeln, als reiche Park-Avenue-Ladies im Salon zu bleichen. Du brauchst dieses Zeug nicht auf dem ganzen Gesicht, nur ein paar Tüpfelchen unter jedem Auge, und dann die Tüpfelchen vorsichtig einmassieren. Super. Guck selbst.« Sie hielt mir den Spiegel vors Gesicht. Unter einem Auge waren drei Tüpfelchen fast weißes Make-up. Sie verteilte sie mit den Fingerspitzen und ließ mich dann wieder in den Spiegel schauen. Das Auge sah heulfrei aus.
Ich sagte: »Meisterhaft gespachtelt, Santi.« Sie machte das andere Auge und den Mund fertig.
Sie sagte: »Alex. Alex. Ein schöner Junge und ein schönes Mädchen. Ihr solltet Zusammensein. Was für Angsthasen wir Menschen manchmal sind. Ich und Shlomo, wir waren erst Freunde. Jahrelang. Natürlich war ich diejenige, die den ersten Schritt machen mußte. Männer sind solche Feiglinge. Drei Wochen später zog er ein. Und glaub’ mir, es war nicht gerade ein Aufstieg für ihn.«
Warum leben eine reiche
Weitere Kostenlose Bücher