Der schwarze Ballon
dir eingezogen bin<, laberlaberlaber.«
Ich sagte: »Ich glaube, du meinst >Wanten<.«
Sie sagte: »Wampen, Wanten, was soll’s? Ich weiß bloß, daß ich jetzt im Laden esse. Wahrscheinlich mit Mrs. Berkenstein. Du kennst sie ja, blond, aus der größten Flasche, die du dir vorstellen kannst. Ich hab’ ihr Schamhaar in der Polierkabine gesehen, und ich sag’ dir, diese Frau ist keine Blondine. Ich glaub’, sie läßt sich ihr Haar auf der anderen Straßenseite machen. Das einzige Mal, wo ich schon mal so graues Schamhaar gesehen habe, war bei Shlomos Mutter. Das hört sich ziemlich komisch an, nicht? Jetzt komm nicht auf komische Gedanken. Ich hab’ sie auch in der Polierkabine gesehen. Also, eine reizende Unterhalterin, diese Mrs. Berkenstein. Sie hat drei Töchter in der Wallstreet. Machen alle drei zig Millionen am Tag. Das wird super — Lunch mit Mrs. B. Ich kann’s kaum erwarten.«
Santina ist eine Expertin im Manipulieren von Gefühlen. Ich sagte: »Um wieviel Uhr willst du rüberkommen?«
»Was meinst du? Halb zwei? Ich komm’ rauf. Bis dann.« Sie legte auf. Es war eins. Ich sah sie vor mir, wie sie jetzt in ihrem Sommernerz aus dem Haus stürzte. Sie würde nach Manhattan fegen wie eine wildgewordene Horde guatemaltekischer Hirsche, die dem Duft von Urin hinterherjagten (hatte irgendwas mit psychedelischen Pilzen zu tun; das hatte ich auch aus dem National Geographic ). Santi kam also zum Lunch. Ich schaufelte die Akten vom Fußboden und stopfte sie in eine leere Schublade. Sie würde in zwanzig Minuten da sein; kein Platz mehr, um über Belle nachzudenken. Ich schlug die Zeit tot, indem ich Streichholzheftchen in einen Hut schnippte.
Ihr Timing war perfekt. Punkt halb zwei stürmte sie in mein Büro — im Nerz. Sie sah wie immer phänomenal aus. Perfekt gekleidet und frisiert. Füße wie geschaffen für zweifarbige Riemenpumps. Blondes Haar, das natürlich aussieht. Unglaubliche Beine für eine Frau in ihrem Alter. Santi läuft jeden Tag die Schleife um den Prospect Park. Sie trug neuerdings öfter einen Velours-Sweatsuit. Sie, die so einen Sinn für Mode hat, hätte verstehen müssen, als ich versuchte, ihr klarzumachen, daß Velours out war.
Sie schoß mir entgegen, noch befeuert von dem Schwung ihrer Rallye von Brooklyn hierher. Sie schloß mich in die Arme.
Sie sagte: »Du siehst entsetzlich aus.« Das Gefühl, ihre Arme um mich zu haben, löste meinen ersten Heulanfall seit Jahren aus. Santi kann an mich rankommen, auch wenn sie eine Nervensäge ist.
Als ich mich, nachdem die Tränen aufgehört hatten, von ihr löste, fragte Santina: »Baby, was ist passiert?«
Ich konnte vor lauter Heulerei nicht sprechen. Sie sah mich mißbilligend an.
Sie sagte: »Jetzt machen wir erstmal was aus diesem Gesicht. Danach können wir ein bißchen plaudern.« Während sie sprach, bugsierte sie mich auf einen Stuhl und setzte sich vor mich auf den Schreibtisch. Sie stellte die Füße auf die Armlehnen meines Stuhls. Ihr Faltenrock hing zwischen ihren Beinen durch. Sie faßte mich beim Kinn und drehte sanft meinen Kopf hin und her.
Schließlich sagte sie: »Was haben wir hier?«
Ich sagte: »Santi, bitte. Laß mir ein kleines bißchen Würde.« Santina hat oft Renovierungsanfälle. Ich benutz’ das Zeug nie.
Sie sagte: »Niemals.« Sie inspizierte mich weiter. »Mmmm.« Sie runzelte die Brauen. »Du hast Flecken vom Heulen.«
Ich sagte: »Mir gefallen sie« Sie hob das gigantische Lederteil, das sie Handtasche nennt, vom Fußboden auf. Sie kam vom Schreibtisch aus dran, ohne sich zu bücken, so groß ist das Ding. Da drin war noch eine Tasche, die aussah wie zwei zusammengequetschte Melonen. Sie hielt mir dieses verknautschte Ding vors Gesicht. Sie nickte weise.
Sie sagte: »Weißt du, was das ist, Wanda?«
Ich sagte: »Nein, und es interessiert mich auch nicht.«
»Das ist Santinas Trickkiste. Der Zauberkasten. Auch Make-up-Koffer genannt. So, jetzt wollen wir mal gucken, was wir mit diesen Augen machen. Du solltest dir wirklich mal eine Dose Niosôme-Augencreme leisten. Du könntest so viel aus deinem Gesicht machen. Wie kann man natürliche Schönheit nur so ruinieren.« Sie nahm einen Wattebausch und ein Fläschchen Gesichtsreiniger aus ihrer Tasche. Sie sagte: »Als erstes mußt du die Haut richtig reinigen. Make-up auf Dreck, davon kriegst du schneller Mitesser, als du hingucken kannst. Aber du mußt das ganz sachte machen. Du mußt dein Gesicht wie ein Baby behandeln, sanft,
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