Der schwarze Ballon
stimmte es plötzlich nicht mehr. Niemand sollte so gut zu mir sein. Außerdem war mein Apartment total unaufgeräumt. Dreckige Unterwäsche, kalte Pizza auf dem Fußboden, überquellende Aschenbecher — sehr Oscar-Madison-mäßig. Otis und mir gefällt es so. Wenn ich dann mal putze (gewöhnlich, wenn Männerbesuch ins Haus steht), hat Otis tagelang Depressionen. Sie fetzt Bücher aus dem Regal, und ich muß sie mit dem Löffel füttern.
Ich zog mich an, fühlte in meiner Handtasche nach Mama, und gab Skip einen Kuß auf die Backe. Er packte mich und küßte mich richtig. Er murmelte etwas von wegen, es sei unheimlich toll mit mir gewesen. Ich fühlte mich gut, klar, aber ich hatte jetzt keine Lust auf ihn. Vielleicht hatte ich schon genug. Er sagte mir, er fände die weichen Zonen meines Halses unheimlich erregend, und begann, fröhlich an ihm herumzuschmusen. Ich fragte mich, wo wohl die harten Zonen meines Halses sein mochten.
Irgendwie kam mir im kalten Licht des Morgens seine Ehrlichkeit weniger ehrlich vor. Da ich ein schlechtes Gewissen wegen Otis hatte und wirklich allein sein wollte, machte ich mich von ihm los. Skip zog mich zurück. Er küßte mich erneut und drehte meine Locken.
Ich sagte: »Bitte nicht.«
Er schaute mich überrascht an. »Ich dachte, du magst das.«
»Tu’ ich auch.«
»Warum soll ich’s dann nicht machen?« Ich dachte an dem Morgen nicht allzu klar. Wenn ich wacher gewesen wäre und weniger zerstreut wegen der Beerdigung, hätte ich ihm meine Gefühle erklären können. Ich dachte daran, wie wenig ich ihm traute und wie wenig ich mir selbst traue, wenn es um Sex geht. Ich hatte Angst, ich würde wieder auf ihn reinfallen. Ich erinnerte mich daran, wie es ein Jahr vorher schon einmal mit uns geendet hatte, und wie fertig ich gewesen war. Aber ich sagte nichts. Skip interpretierte mein Schweigen als Nachgeben. Er küßte mich und rieb sich an mir. Nicht viele Frauen, die ich kenne, können sich einem Ständer entziehen, der sich an ihrem Oberschenkel reibt, nicht einmal Frauen mit den lautersten Absichten. Ich blieb.
Es war wieder ein wunderschöner Spätsommertag. Der Brunch war nett. Wir schlenderten durch Greenwich Village und aßen Eier Hussard bei Aggie’s auf der Houston Street. Auf meine Bitte hin gingen wir zu Betsey Johnson statt zu Agnès B. Ich holte mir ein schwarzes Baumwollkleid, das meine Titten betonte — nicht zu sexy für eine Beerdigung, aber sexy genug, um ein lüsternes Lächeln bei Skip hervorzurufen. Dann gingen wir zu Ecco, um Schuhe zu kaufen. Ich kaufte schwarze Wildlederpumps mit halbhohen Absätzen. Nicht gerade das Passendste bei dem heißen Wetter, aber der Winter würde nicht mehr lange auf sich warten lassen. Die Verkäuferin sagte mir, wenn ich mir die Haare platinblond färben würde, könnte ich die nächste Jayne Mansfield werden. Skip lachte, als sie das sagte, und legte den Arm um meine Schulter. Wir fuhren zur Beerdigung mit einem Firmenwagen, mit freundlicher Genehmigung von Shinola. Ich lächelte viel an jenem Morgen. Alles war wirklich sehr nett, aber ich konnte mich an diese Art von Behandlung nicht gewöhnen. Kein Privatschnüffler, der was auf sich hält, geht zum Brunch.
Der Aufbahrungsraum quoll über von Trauergästen. Leute in Schwarz bevölkerten den stillen Außenraum des Sleepy Home Funeral Parlor auf der 59. Straße. Vom Vorderfenster aus konnte man auf den Central Park blicken, und ich schaute zu, wie ein paar von den Pferdekutschen draußen vorbeirollten. Ich starrte ein paar Minuten auf einen Mann, der an der Ecke des Parks Gras verkaufte, zu einem Dime die Tüte. Irgendwann langweilte mich das, und ich wandte mich wieder den Leuten zu, die plaudernd, kichernd, tratschend und cocktailschwenkend im Raum umhergingen. Skip hatte recht; dies konnte das gesellschaftliche Ereignis der Saison werden. Aber die Honoratioren, Promis und Verlagsbonzen waren aus meiner Sicht alle lediglich Verdächtige. Max Rudberg, Präsident und CEO der Foxboro Corporation — eine megaglobale Finanzgesellschaft — stand an der Tür und drehte ein Perrier zwischen den Fingern. Mr. Rudberg war ungefähr so anziehend wie ein Mülleimer. Belle beklagte sich immer, daß sie ihn nie flachlegen könnte. Ich erinnere mich, wie ich darauf einmal sagte: »Und wenn du ihm einen Sack über den Kopf stülpst?« Sie lachte. Johann Pesto war auch da. Er saß allein und mit unschuldigem Blick am Büfett. Mir fiel ein, daß Belle gesagt hatte, er hätte ihr
Weitere Kostenlose Bücher