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Der schwarze Ballon

Der schwarze Ballon

Titel: Der schwarze Ballon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Valerie Frankel
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wehgetan. Ich fragte mich, wie und wie sehr. Ich würde ihn im Auge behalten.
    Ein altes Paar stand in der Nähe des Eingangs und nahm schluchzend Belleidsbekundungen entgegen. Ich nahm an, daß es Belles Eltern waren. Detective Dick O’Flanahey lehnte an der Theke und stopfte Oliven in sich hinein. Sein Partner Bucky mußte irgendwo in der Nähe sein, aber ich konnte ihn nicht sehen. Dick erblickte mich. Er lächelte, zwinkerte und zwirbelte seinen Schnurrbart. Blödmann. Jetzt tauchte Bucky neben ihm auf, einen Teller Hors d’oeuvre balancierend. Ich hatte damit gerechnet, daß die Bullen aufkreuzen würden. All diese Mediengiganten waren für sie auch Verdächtige.
    Skip packte mich am Arm und steuerte mich durch den Raum. Ich war in dieser Gesellschaft so anonym, wie man es nur sein konnte. Ganz anders jedoch Skip. Ständig kamen irgendwelche Leute zu ihm und sagten Sätze wie: »Hallo, Skip-Liebling. Schlimm, das mit Belle. Keiner von uns ist sicher. Ach, übrigens, hast du dir meine Neufassung schon durchgelesen?« oder: »Nett, Sie mal wieder zu sehen, Giddy. Wußte gar nicht, daß Sie die Verstorbene kannten. Ich kenne sie natürlich schon seit Jahren. Ich kenne jeden.« Oder, wie eine toll aussehende Jungschriftstellerin sagte: »Hallo, Skip. Wo warst du gestern nacht? Ich hab’ bestimmt zehnmal versucht, dich anzurufen.« Er hatte seinen Anrufbeantworter runtergedreht, aber ich hatte es die ganze Nacht bimmeln hören. Ich dachte: »Die war das also.« Sie tänzelte davon und steuerte auf einen anderen jungen Redakteur zu. Skip flüsterte mir zu. »Keine Angst. Die könnte nicht mal bei einer Schülerzeitung was werden.«
    Ich sagte: »Wie tröstlich. Ich tu’ einfach so, als wollte sie nichts von dir.«
    Die Midnight-Crew war da. Das Redaktionsteam hatte sich stark verändert, seit ich dort aufgehört hatte, wie es bei Zeitschriftenverlagen so üblich ist, aber der harte Kern war derselbe geblieben. Sie saßen zusammen in einer Ecke. Ich fragte mich, wer von ihnen das Magazin erben würde. Da war einmal Herb Stoltz, der Chefredakteur. Ein Wunderkind (da Belle selbst eins war, umgab sie sich gerne mit ihnen) von Harvard. Groß, geschmeidig und braunäugig. Fast wie ein Bär. Er ist vielleicht einer der wenigen unerbitterlichen Singles in New York, die Belle hatten abblitzen lassen — nicht einmal, nicht zweimal, sondern drei Jahre lang jeden Tag. Sie behandelte ihn wie einen verlorenen Sohn mit einem latenten Ödipuskomplex. Er war neunundzwanzig, sie fünfunddreißig. Irgendwann, als ich noch beim Midnight arbeitete, sagte sie mir mal, sie hätte alle ihre Ziele im Leben mit dreiunddreißig erreicht, mit einer Ausnahme. Offenbar sehnte sie den Tag herbei, an dem sie Herb an ihr Bett fesseln und ihn zwei Wochen lang gnadenlos reizen konnte. Ich fragte sie, ob sie eine Bettpfanne griffbereit hätte. Ich selbst hab’ nie Lust auf Herb gehabt, wenn das irgendwas über meine Geschmack aussagt.
    Dann war da Cheryl Stingon, die stellvertretende Chefredakteurin. Der spuckende Vulkan unter Belles Lava. Von Anfang an mit dabei, seit der Gründung der Zeitschrift vor fünf Jahren. Sie ist klein, mit matronenhaften Brüsten, langem schwarzen Haar, das sie stets zu einem strammen Knoten gerafft trägt, und bösen, stechenden Augen. Wenn Belle der König war, war sie die Königin, diejenige mit der eigentlichen Macht im Hause. Während Belle zu ihren endlosen Essen und Vorträgen ging, riß sie die Regie an sich, leitete die Redaktionskonferenzen, genehmigte oder verwarf Titelblätter und Headlines. Belle merkte immer erst nach ein paar Wochen, wenn Cheryl Dinge über ihren Kopf hinweg entschieden hatte. Dann rief sie sie zu einem Plauderstündchen zu sich. Danach liefen die Dinge dann immer eine Zeitlang wieder sehr im Sinne Belles, bis das ganze Spielchen irgendwann wieder von vorne anfing. Kein Mensch konnte begreifen, wie Cheryl immer wieder damit durchkommen konnte, oder wieso Belle sich das gefallen ließ. Es gab nicht viele Leute, die sich erlauben konnten, Belles Macht zu unterwandern.
    Ich persönlich traute Cheryl nicht. Und ich konnte sie nicht leiden. Der Schlüssel zur Büropolitik beim Midnight war, sich mit Cheryl gut zu stehen. Sie wußte das selbst besser als jeder andere, und sie schwang ihre Macht wie einen Hammer. An dem Tag, an dem sie beschloß, einen nicht leiden zu können, konnte man sich einen Kuß auf den Arsch geben und sich seine Papiere holen. Ich war schließlich auch an der Reihe,

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