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Der schwarze Ballon

Der schwarze Ballon

Titel: Der schwarze Ballon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Valerie Frankel
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wie so viele Redaktionssklaven vor mir. Sie erwischte mich bei einem lächerlichen kleinen Fehler. Und wenn ich sage, lächerlich, dann meine ich damit, daß ich eine falsche Preisangabe bei einem Dildo machte. Das war der Grund, warum ich bei der Zeitschrift aufhörte. Sie hatte mich auf dem Kieker, und ich gehöre nicht zu den Menschen, die das Unvermeidliche hinauszögern.
    Die dritte im Bunde war Ginger Jones, die einzige festangestellte Autorin. Physisch gesehen ein Rasseweib. Gelbbraune Haare und Haut, groß und schlank. Und sie duftet immer nach Lilien. Sie schrieb den größten Teil der Knallartikel, die der Midnight brachte: klitoraler versus vaginaler Orgasmus; In-Sexclubs in der Stadt. Und sie schrieb Erotika. Gingers Stories waren immer die heißesten. An einem Punkt, ungefähr zu der Zeit, als ich beim Midnight aufhörte, sagte Belle zu Ginger, sie solle es ein bißchen ruhiger angehen lassen, und schlug ihr vor, daß sie eine Zeitlang mal Redaktionsarbeit machen sollte. Belle schrieb selbst, sie war also möglicherweise ein bißchen eifersüchtig auf Ginger; vielleicht wollte sie aber auch einfach die Stimmen von mehr Autoren. Jedenfalls wäre Ginger damals fast gegangen. Belle gab ihr eine Gehaltserhöhung. Außerdem wurde die Exklusivitätsklausel aus ihrem Vertrag gestrichen; Cheryls Idee. Laß sie für andere Magazine schreiben, und sie kühlt sich beim Midnight aus. Der Plan ging in die Hose, und Gingers Name wurde fast so sehr zu einem Synonym für den Midnight wie der von Belle. Ich hatte Ginger immer gemocht. Sie ist ein smarter Feger. Und, wie gesagt, ihre Stories waren die heißesten.
    Skip faßte mir an den Hintern, um meine Aufmerksamkeit zu gewinnen. »Ginger sieht ziemlich gut aus, findest du nicht?« fragte er. Schlagartig fand ich sie nicht mehr so toll.
    Cheryl, Herb und Ginger hatten die Köpfe zusammengesteckt und unterhielten sich leise miteinander. Einige der jüngeren Redaktionsmitglieder scharwenzelten in ihrer Nähe herum, aber das Trio schien sie nicht zu bemerken. Ich beschloß, sie zu begrüßen. Ich ging zu ihnen hinüber und sagte: »Hallo. Schön, euch alle wiederzusehen. Ich wünschte nur, die Umstände wären angenehmer.«
    Cheryl giftete sofort: »Sieh da, die verlorene Prinzessin kehrt zurück.« Sie musterte mich zweimal von oben nach unten. Sie fuhr fort: »Du kommst einen Tag zu spät.« Sie wußte nichts von meiner Beschattungstätigkeit für Belle.
    Herb sagte: »Baby, du siehst granatenstark aus. Wie ist das Schnüffelgeschäft denn so?«
    Ich sagte: »Genauso kriminell wie das Verlagsgeschäft.« Herb lachte.
    »Was soll dieser Small talk?« nörgelte Cheryl.
    Ginger sagte spitz: »Dich hätte ich hier nicht erwartet, Wanda. Du hast Belle doch schon über ein Jahr nicht mehr gesehen.« Sie wußte es auch nicht.
    Herb sagte: »He, ihr zwei, jetzt gebt mal Ruhe. Wanda und Belle standen sich doch früher sehr nahe.« Er wußte also auch nichts. Anscheinend hatte Belle doch ein paar Geheimnisse.
    Ich sagte: »Wenn ihr’s genau wissen wollt, ich bin von Belles Anwalt eingeladen worden. Ich hoffe, ich seh’ euch alle dann bei der Testamentsverlesung.« Cheryls Kinnlade klappte herunter. Ich wandte mich ab und suchte Skip. Er unterhielt sich mit der toll aussehenden jungen Autorin. Er hatte den Arm um ihre Schulter gelegt. Sie warf ihr Haar zurück. Er strich es ihr aus dem Gesicht. Ich ging zur Bar.
    Ich bestellte einen Margarita und setzte mich mit dem Rücken zur Wand. Dick und Bucky waren verschwunden, was mir sehr recht war. Ich versuchte, die Zeit dazu zu nutzen, die Schar der Trauergäste auf mögliche Verdächtige hin zu inspizieren, aber es gab zu viele Dinge, die mich ablenkten. Ich sah, wie Cheryl in ihrer Ecke saß und vor sich hin schmollte. Die toll aussehende junge Autorin baggerte an Skip herum. Ich sah, wie sein Blick suchend durch den Raum schweifte. Wahrscheinlich suchte er nach mir. Ich lehnte mich gegen die Wand; er sah mich nicht. Ich sah, wie er sich zu der toll aussehenden jungen Autorin beugte und ihr einen Kuß gab. Es war ganz eindeutig kein unverbindlich freundschaftlicher, sondern ein ausdauernder Zungenkuß. Auf einer Beerdigung. Hatte er überhaupt kein Schamgefühl?
    Ich stand von meinem Stuhl auf. Ich spürte jede Sekunde der Leidenschaft der vergangenen Nacht in meinen schmerzenden Schenkeln. Ich verfluchte mich dafür, daß ich an dem Morgen nachgegeben hatte. Ich nahm Kurs auf die Tür. In meiner Hast stieß ich gegen den Rücken

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