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Der schwarze Ballon

Der schwarze Ballon

Titel: Der schwarze Ballon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Valerie Frankel
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eines großen Mannes in einem schwarzen Anzug. Er war mindestens eins neunzig und hatte lange blonde Haare. Es war Johann Pesto.
    Er musterte ausgiebig meine Titten und sagte: »Ich glaube, wir kennen uns noch nicht.«
    Ich sagte: »Wanda Mallory — ich bin eine entfernte Verwandte der Verstorbenen. Und wer sind Sie?«
    »Johann Pesto. Der trauernde Verlobte.« Er schien nicht allzu mitgenommen.
    »Das muß alles sehr schlimm für Sie sein.«
    Er sagte: »Ich versuche, so gut ich kann, damit fertigzuwerden. Aber die Einsamkeit ist so schmerzhaft.«
    »Das wird vergehen. Die Zeit heilt alle Wunden.«
    »Sie könnten ihr beim Heilen behilflich sein.«
    Aus dem Augenwinkel sah ich Dick und Bucky. Sie standen am Buffet und beobachteten uns. Ich sagte: »Ich muß mal kurz raus. Entschuldigen Sie mich.« Das letzte, was ich jetzt gebrauchen konnte, war ein weiterer Kontakt mit Johann Pesto. Zumindest im Moment.
    Ich wollte zur Tür, aber Skip hielt mich fest. Er legte den Arm um meine Hüften und sagte: »Wo willst du hin, Zaubermaus? Die Veranstaltung fängt gerade erst richtig an.«
    »Das ist keine Veranstaltung, das ist eine Beerdigung«, gab ich zurück.
    »Was hast du?«
    »Wäre es dir vielleicht möglich, die Hände von anderen Frauen zu lassen, wenn du mit mir weggehst?« fragte ich.
    »Aber klar doch, Traumfrau. Ich wußte nicht, daß dir das was ausmacht.«
    Ich sagte: »Tut es auch nicht.« Er beugte sich zu mir rüber und küßte mich. Ich fühlte ein Ziehen vom Bauchnabel bis zur Klitoris.
    Er flüsterte: »Das glaub’ ich aber doch.«
    Ein großgewachsener Mann in einem schwarzen Zweireiher verkündete, daß die Beerdigungsfeier jetzt beginnen würde. Die versammelte Trauerriege drückte sich in den Vorraum und auf die Stühle. Der Raum war hübsch; man hatte das Gefühl, in einem Theater zu sitzen. Belles geschlossener Sarg war auf einem Tisch an der Vorderseite aufgebahrt — dem Bühnenbereich. Ich setzte mich nach hinten, damit ich den besten Blick hatte. Johann setzte sich ganz nach vorn. Als er an mir vorbeiging, ließ er die Hand über meine Schulter gleiten. Skip bekam es nicht mit. Die Midnight -Crew saß in der ersten Reihe, neben Belles Eltern. Dick und Bucky standen an der Tür. Ich setzte meine Brille auf.
    Der Beerdigungschef begann salbungsvoll. Er erzählte uns feierlich von seinem tiefen persönlichen Schmerz über all die untergehenden Sonnen, die schon durch seine Türen gekommen waren. Er zeigte auf Belles Sarg und verlas einen kurzen Lebenslauf. Dann überließ er das Podium Herb Stoltz. Ich hätte mir denken können, daß er sprechen würde. Ich hatte den Stapel Karteikarten bemerkt, den er in der Hand hielt, als ich mit ihm gesprochen hatte. Herb nickte den Trauergästen zu und begann.
    »Ich denke, es ist in unser aller Sinn, wenn ich mich kurz fasse. Ich persönlich habe dieses Ritual für die Toten nie verstanden. Es scheint mehr Schmerz als Trost zu bringen. Wir alle haben Belle geliebt. Deshalb sind wir hier zusammengekommen. Wir essen die Speisen, wir trinken den Wein, und doch schmecken wir nichts als den bitteren Schmerz über das Dahinscheiden einer Freundin. Ich habe mir vorgenommen, nichts über die bestürzenden Umstände von Belles Tod zu erwähnen, sondern nur über die erstaunlichen Leistungen ihres Lebens zu sprechen. Aber ich hätte nie gedacht, daß ich an diesem Mittwoch, dem siebzehnten Oktober, hier sein würde, auf ihrer Beerdigung. Ich habe eine Würdigung vorbereitet, und ich glaube, ich lese sie Ihnen jetzt einfach vor.« Herb hantierte mit seinen Karteikarten. Er trank einen Schluck Wasser.
    Er fuhr fort: »Wie kann man die erotische Anziehungskraft eines einzigen seidenen Haars ermessen? Ich bade in seinem Glanz, während ich auf ihren Kopf hinunterblicke. Ihre Lippen liebkosen meinen pochenden Schmerz, und winzige Seidenfäden kleben an meinem — «. Er hielt plötzlich inne. Er wurde rot und schaute auf. Ein Raunen ging durch die Menge. Skip lehnte sich zu mir rüber.
    »Warum hast du mir nicht gesagt, daß Herb und Belle was miteinander hatten?« Er leckte mich zart am Ohr. Er sagte: »Der letzte Teil hat mich angemacht. Was glaubst du, woran die Seidenfäden geklebt haben?«
    Der ganze Raum war jetzt in heller Aufregung. Herb begann zu protestieren. »Ich weiß nicht, was das hier ist. Das muß mir irgend jemand untergeschoben haben. Diese Worte stammen nicht von mir.« Dick und Bucky stürmten das Podium und rissen Herb die Karte aus der Hand. Dick

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