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Der schwarze Ballon

Der schwarze Ballon

Titel: Der schwarze Ballon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Valerie Frankel
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Erzählung.
    Die Frau näherte sich Johann. Sie war groß und drall und trug ein wunderschönes rotes Kleid. Moderate Absätze. Ich schätzte sie auf zwei- bis dreiunddreißig. Sie hatte lange braune Haare und olivfarbene Haut. Irgend jemand hinter mir murmelte das Wort heißer Ofen.
    Da ich meine Brille aufhatte, konnte ich alles perfekt sehen. Johann lächelte, als er sie sah. Er bedeutete ihr, sich zu setzen. Sie zog den Barhocker neben seinem zurück, aber er packte sie beim Ellenbogen und zog sie auf seinen Schoß. Er legte die Arme um ihre Hüfte. Ich konnte sie über die Bar hinweg giggeln und kieksen hören. Sie wandte sich Johann zu und rieb ihre Backe an seiner. Sie sahen aus wie zwei große Katzen, die sich putzten. Ich fühlte mich wie ein Voyeur, aber alle guten Detektive sollten was von einem Voyeur in sich haben. Er wippte sie auf seinem Knie. Sie unterhielten sich. Ich konnte ihre Münder nicht allzu gut sehen. Luigis Gesicht war im Weg. Sein schwarzes Loch von einem Mund konnte ich dafür um so besser sehen. Ich lächelte und nickte und ließ ihn die Bloodies nachkippen.
    Johann und die Frau waren ganz in ihr Gespräch vertieft. Er begann, besorgt dreinzuschauen. Ich verbot mir, irgendwelche Mutmaßungen anzustellen; ich konzentrierte mich ausschließlich auf das, was ich sah. Sie schüttelte den Kopf über irgendwas, das er sagte. Er guckte traurig. Sie tätschelte ihm den Kopf wie einem Hund. Er lächelte matt. Sie sagte etwas, und er nickte ohne Überzeugungskraft. Sie gestikulierte sachte, untermalte Worte mit den Händen. Er packte sie bei den Handgelenken, und sie kabbelten sich spielerisch. Dann der Kuß. Ein zärtlicher Kuß. Nicht die Art von Kuß, die man in einem Bumslokal wie der Orchid Lounge erwarten würde. Ich fing an, mir Gedanken darüber zu machen, was die beiden wohl füreinander bedeuteten, und ob sie auf die genannten Vibratoren stand, aber ich bremste mich schnell wieder. Der Kuß endete. Ich nahm meinen Drink und stand auf, Luigi mitten in seiner Story von seiner Mutter und einem Seemann unterbrechend. Ich sagte ihm, ich müßte mal für kleine Mädchen. Er lachte.
    Der lange Marsch um die Theke war mit Hindernissen gepflastert. Ich wich tatschenden und grapschenden Händen und Betrunkenen aus. Ich fühlte mich ein bißchen schmierig. Ich steckte meine Brille in die Handtasche; auf kurze Distanz konnte ich auch so sehen. Johann und die Frau redeten noch immer, als ich den Weg um die Bar herum endlich geschafft hatte. Ich setzte mich auf den Hocker, auf den sie sich fast gesetzt hätte. Sie kletterte von Johanns Schoß und stellte sich zwischen uns.
    Ich sagte: »Entschuldigung, ist dieser Hocker besetzt?« Ihre Augen waren hart, aber ihr Gesicht und ihr Mund waren zart und fein.
    Sie sprach mit perfekter Aussprache. »Es sieht so aus«, sagte sie. »Von Ihnen.« Sie lächelte — perfekte Zähne.
    Johann sagte: »Das Mädchen von der Beerdigung. Was für eine nette Überraschung.«
    Ich nippte an meiner Bloody Mary. »Kommen Sie öfter hierher?« fragte ich.
    Die Frau sagte: »Ihr zwei kennt euch? Wie günstig für uns.«
    Ich sagte: »Wir haben uns erst heute kennengelernt.«
    Johann sagte zu der Frau: »Auf der Beerdigung.«
    Sie wurde plötzlich nervös. »Wer sind Sie?«
    »Bloß eine entfernte Verwandte«, sagte ich. »Ich kannte Belle kaum.«
    Sie lächelte, nickte Johann zu und fragte ihn aufgeregt: »Hast du das für mich arrangiert? Du alter Schwede.«
    Er sagte: »Ich hatte nur eine kurze Unterhaltung mit dieser Dame. Sind Sie mir hierher gefolgt?« Er schien nicht sehr erbaut.
    Ich sagte: »Bloß ein glücklicher Zufall.«
    »Ich weiß, daß du das für mich getan hast.« Sie wandte sich zu mir und sagte: »Ist er nicht echt süß?«
    Ich sagte: »Das kann ich Ihnen erst sagen, wenn ich ihn probiert habe.« Das gefiel ihr; sie wand sich fast aus ihren Kleidern.
    Johann sagte: »Martha. Ich bin nicht sicher, ob das so eine gute Idee ist.«
    »Sei du jetzt mal still. Ich unterhalte mich mit dieser jungen Dame.«
    Ich versuchte fieberhaft, mir einen Plan auszudenken. Ich wußte immer noch nicht, was sie vorhatten, oder was sie damit gemeint hatte, als sie gesagt hatte, er hätte das für sie arrangiert. Mir kam der Gedanke, daß sie vielleicht Killer sein konnten.
    Martha musterte mich von oben bis unten. »So, jetzt sag mir mal, was führt dich hierher — oder, genauer gesagt, was führt dich auf diesen Hocker?« Sie deutete mit einer schweifenden Handbewegung auf

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