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Der schwarze Ballon

Der schwarze Ballon

Titel: Der schwarze Ballon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Valerie Frankel
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hielt Herb am Revers seiner Jacke fest, während Bucky die Trauergäste aufforderte, sich wieder zu beruhigen. Es gab eine kurze gedämpfte Unterredung am Podium, dann gingen Herb und die beiden Polizisten raus. Ich wollte ihnen nachgehen, aber Skip hielt mich zurück. »Von denen erfährst du jetzt sowieso nichts«, warnte er mich, »aber hier gibt’s noch eine Menge zu sehen.« Er hatte recht. Ich glaube, das war der Grund, warum ich beschloß, es noch ein Weilchen länger mit Skip auszuhalten — seine scharfsichtigen Momente. Und natürlich der Sex.
    Der Rest der Trauerfeier ging ohne Zwischenfälle über die Bühne. Ein Rabbi sprach, der, der Belle aufgenommen hatte. Und Belles Mutter schaffte es, ein paar Worte herauszubringen. Johann drehte sich ein- oder zweimal zu mir um, aber nicht so oft, wie sich Cheryl zu ihm umdrehte. Die Feier dauerte ungefähr eine Stunde. Ich war eine der ersten, die gingen. Ich sagte Skip, daß ich sofort zurück ins Büro müßte, und er schien nichts dagegen zu haben. Beim Rausgehen bemerkte ich, daß Cheryl und Johann miteinander flirteten.
    Ich stellte mich hinter eine Straßenlaterne und wartete darauf, daß Johann rauskam. Ich sah Skip mit der brünstigen Jungdichterin in ein Taxi steigen. Ich rauchte eine Zigarette bis zum Filter. Dann sah ich Johann.
    Er stieg auch in ein Taxi, aber allein. Ich wartete, bis es losfuhr. Dann sprang ich in das nächste und sagte dem Fahrer: »Folgen Sie dem Taxi.« (In solchen Momenten fühlte ich mich immer wie Columbo.) Ich wußte nicht, was Johann gemeint hatte, als er sagte, daß ich helfen könnte, ihn zu heilen, aber ich war entschlossen, es herauszufinden. Ich fand, ich war es Belle schuldig, rauszukriegen, was der Schwede eigentlich wollte.
    Ich folgte Johann bis zum Times Square, wo er ausstieg. Draußen herrschte das übliche Rush-hour-Gewimmel. Ich sah, wie mehrere Frauen und Obdachlose ihn ansprachen. Er wedelte sie weg. Er überquerte die Straße und blieb vor einer Stripbar namens Orchid Lounge stehen. Er zog ein Streichholzheftchen aus seiner Hosentasche und guckte darauf. Dann ging er hinein.
    Die Orchid Lounge ist eine Unten-ohne-Bar. Draußen auf der Straße verteilen immer irgendwelche Typen Reklamezettel. Der Laden ist so schmierig, wie es sich für eine Bar am Times Square gehört. Die Kellnerinnen tragen Tops, aber unten nichts. Daher der Name des Ladens. Ich ging hinüber zum Eingang. Die zwei Türsteher waren Catchertypen. Sie standen wie Totempfähle zu beiden Seiten der Tür. Einer trug ein ärmelloses T-Shirt mit einem aggressiven Werbeaufdruck von irgendeinem Body-Building-Studio. Sie wollten mich zuerst nicht reinlassen, weil sie vermuteten, daß ich eine Freischaffende war. Ich steckte jedem von ihnen einen Zwanziger ins Hemd und ging rein. Ich trug noch immer mein Tittenkleid von Betsy Johnson. Nicht zu weit entfernt von der angemessenen Kleidung für so einen Laden. Und ist das nicht das Wunderbare an der heutigen Mode — in einem Moment Beerdigungskostüm, im nächsten Moment Nuttenoutfit.
    Das Licht war gedämpft, die Musik stampfend und laut. Die Holztische hatten Zigarettennarben. Bunte jalapeño-förmige Glühbirnen hingen von der Decke, wie Weihnachten in Mexico. Auf die Wände wurden S & M-Pornovideos projiziert. Wenn irgendwas an dem Laden mir besonders gegen den Strich ging, dann waren es die Videos.
    Ich sah Johann an der anderen Seite der kreisförmigen Bar sitzen. Er orderte einen Dewar’s on the rocks. Er schaute auf seine Uhr und rückte seinen Schlips zurecht. Er warf verstohlene Seitenblicke auf die Mädels, die die Bestellungen entgegenahmen. Ich setzte mich an die gegenüberliegende Seite der Bar und schaute ihm ein paar Drinks lang zu. Wenn ich im Dienst bin, trinke ich Wodka. Wenn ich nicht im Dienst bin, trinke ich Tequila. An dem Abend trank ich Bloodies. Johann schien auf jemanden zu warten. Also auch ich. Der zahnlose Besitzer/Barkeeper/Zuhälter kam zu mir rüber und stellte sich mir als Luigi vor. Er fragte mich, ob ich schon mal da gewesen wäre. Ich sagte, ich wäre das erste Mal da. Er sagte, er wäre sicher, daß er mich kennen würde; solche Titten wie meine würde er bestimmt nicht vergessen. Ich dankte ihm für das Kompliment und wandte meine Aufmerksamkeit wieder auf Johann.
    Luigi erzählte mir gerade eine Story von zwei Schwestern aus Nantuckett, als die Frau reinkam. Alle Männer um mich herum verdrehten sich den Hals, um sie zu begutachten. Sogar Luigi unterbrach seine

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