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Der schwarze Ballon

Der schwarze Ballon

Titel: Der schwarze Ballon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Valerie Frankel
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war im siebten Stock. Eine nette alte Dame namens Emily drückte mir die Glastür auf. Ich war zehn Minuten zu früh dran. Anwälte in dreiteiligen Anzügen rannten auf dem Gang herum, verfolgt von Sekretärinnen, die jede Äußerung von ihnen auf Stenoblöcke kritzelten. Anwaltsgehilfinnen standen an den Kopierern auf dem Korridor Schlange.
    Als ich um die Ecke zu Gladmans Büro bog, sah ich plötzlich Johann. Er lief vor der Tür auf und ab, qualmend und Dunhills rauchend. Ich sah ihn, bevor er mich sah, und so hatte ich Zeit, mich noch schnell in einem leeren Konferenzzimmer zu verstecken. Ich beschloß zu warten, bis die anderen kamen.
    Um zwei nach neun ging ich hinein. Sie waren alle da: Cheryl, Ginger, Herb, Dick und Bucky, Mom und Dad, und Johann. Herb schien sich von dem peinlichen Zwischenfall mit seiner Rede wieder erholt zu haben, aber er schielte mit einem Auge auf die Cops. Cheryl saß neben Johann und reckte ihm ihre Altjungferntitten entgegen. Er reagierte höflich. Als er mich sah, wurde er grau im Gesicht. Ich setzte mich nach hinten und setzte meine Brille auf. Ich nahm an, daß der Mann mit den colaflaschendicken Brillengläsern hinter dem mächtigen Eichenholzschreibtisch Alan Gladman war. Ich erinnerte mich vage, ihn auf der Beerdigung gesehen zu haben. Er war rechtsanwaltsgemäß in einen dreiteiligen Tweedanzug gehüllt. Seine Haare waren schwarz und mit Pomade nach hinten geklatscht. Ich schätzte ihn auf Ende vierzig. Das Büro war vollgepfropft mit gerahmten Jagdszenen, Tiffanylampen und einer antiken Standuhr, die vor der holzgetäfelten Wand aufgebaut war. Seine Schreibunterlage war sogar noch größer als meine. Ich hielt es nicht für möglich. Trotz der vielen Stühle war das Büro geräumig und düster. Es war genau das richtige Ambiente für eine Testamentsverlesung.
    Gladman sagte: »Sind alle anwesend?« Er zählte die Köpfe. »Sind alle Herrschaften miteinander bekannt?«
    Johann sagte: »Jetzt lesen Sie schon das verdammte Testament vor.«
    Ich wandte mich in seine Richtung. Er wich meinem Blick aus. Ich schaute hinüber zu Belles Eltern. Sie hielten sich aneinander fest. Es war grabesstill im Raum, als Gladman sagte: »Sehr gut. Lassen wir die Formalitäten beiseite. Dies ist also der letzte Wille und das Testament von Belle Beatrice. Erst letzte Woche geschrieben, darf ich hinzufügen. Sie können nicht sagen, daß Belle kein Gespür für Timing hatte. Nein, das können Sie wirklich nicht sagen.«
    Vor mir rutschte Ginger nervös auf ihrem Stuhl rum, und ein Hauch von Lilien fächelte mir um die Nase. »Bitte, Mr. Gladman«, sagte sie. »Wir sind alle ein bißchen gespannt.«
    Gladman sagte: »Ja, ja. Ich bitte um Vergebung. Ich versuche bloß, diese Sache so angenehm wie möglich zu machen. Es sind unruhige Zeiten, in denen wir leben. Frauen können in der modernen Gesellschaft nie vorsichtig genug sein. Belle hat ihre Lektion wohl zu spät gelernt. Nun, Sie alle wissen, warum wir hier sind.« Gladman inspizierte seine Brille. Er putzte sie umständlich. Er setzte sie wieder auf. »Nun denn. Das Testament lautet wie folgt: >Dies ist mein letzter Wille und Testament. Daß ich körperlich und geistig in bester Form und bei klarem Verstand bin, brauch’ ich wohl nicht groß zu erwähnen. Ihr alle kennt meine geistige und körperliche Verfassung. Ihr wißt, daß sie außergewöhnlich ist. Ich bin ganz und gar nicht sicher, ob ich dieses Testament vor meinem Tod nicht noch einmal neu abfassen werde. Aber komm’ mir keiner von euch auf die Idee, es anzufechten. Falls ich tot bin, wenn es euch verlesen wird: das hier ist das, was ich in diesem Moment will. Also keine faulen Tricks. Zunächst mal ein paar Takte zum Begräbnis. Macht es am Tag danach, wie es der Tradition meines Glaubens entspricht. Und macht keine allzu große Sache daraus. Sorgt dafür, daß es im netten kleinen Rahmen bleibt. Vielleicht ein paar hundert meiner engsten Freunde und Bewunderer. Ich möchte gerne eingeäschert werden, wenn meine Eltern einverstanden sind. Tut meine Asche in eine Urne und gebt sie ihnen. Hi, Mom und Dad. Ich hoffe, ihr seid okay. Ich habe beschlossen, euch all meine persönliche Habe zu vererben — mein Haus am Central Park (ihr wolltet immer eine Absteige haben, auf die ihr stolz sein konntet) und alles, was darin ist. Außerdem bekommt ihr das Haus in Southampton mit allem, was drin ist. Geld vermache ich euch keins. Ich denke, ihr habt genug. Abgesehen davon finde ich es sowieso

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