Der schwarze Dom
nicht wichtig zu sein.«
»Doch. Sie ist sehr wichtig. Es war alles Lüge.«
»Wieso?«
»Sie war nur dazu da, um mich an diese Stelle zurückzulocken.«
»Wohin denn?« fragte der Priester.
Nervös schaute der Junge im Beichtstuhl umher. Er hatte keinerlei Orientierung. Wie sollte er dann erzählen, wo er gewesen war? Er begriff nicht, warum sie diese Beichtstühle so dunkel machten. Es hieß, der Teufel mochte die Dunkelheit.
Er drückte seine offene Hand gegen die Steinwand zur Rechten. Die Wand war dick und fest. Durch diese Wand konnten sie nicht hindurch. Er hoffte inständig, daß die Kerze, die er für die Jungfrau Maria angezündet hatte, noch brannte.
»Wo es keinen Anfang gibt«, antwortete der Junge leise. »Kein Ende. Wo das Wasser verborgen unter einem leeren Himmel fließt.«
»War das nicht ein Rätsel bei einer Schnitzeljagd?«
»Es war nicht meine Jagd. Es war ihre. Sie haben mich gejagt!«
»Warum?«
»Sie brauchen mich. Sie brauchen ein neues Opfer.«
»Warum haben sie dich genommen?«
»Weil ich meinen Freund umgebracht habe.«
Der Priester stieß einen Seufzer aus. Hinter dem dunklen Trennschirm bewegte sich seine Silhouette. Der Junge hörte Glas klirren und fragte sich, ob der Mann eine Flasche dabei hatte. Aber der Priester hörte sich absolut nüchtern an.
»Du kommst immer wieder auf diesen Mord zurück, den du begangen hast«, meinte der Priester. »Und dann sagst du mir, es sei nicht wichtig. Ich kann hier nicht den ganzen Abend mit dir verbringen. Sag mir das, was wichtig ist und laß uns die Sache über die Bühne bringen.«
»Ich habe Ihnen die Schnitzeljagd noch nicht zu Ende erklärt. Das muß ich erst noch tun. Bitte!«
Der Priester lehnte sich hinter dem Schirm zurück, und der Schatten seines Kopfes verlor wieder an Kontur. »Also gut, erzähl zu Ende. Ihr seid von dem Haus weg und in die Wüste gefahren. Was ist dann passiert?«
»Wir fuhren ewig weiter. Dann sind wir falsch abgebogen. Aus Spaß. Das fanden sie lustig. Wir fuhren weiter, abseits der Straße. Wir kamen an diese Schlucht. Der Mond ging auf. Ich konnte ihn sehen. Aber dann kamen wir an diese Stelle.«
»Ja?«
Der Junge hatte das Gefühl, daß ein heißes Stahlband seine Brust zusammenschnürte. Er mußte die Augen schließen und rang um Atem. »Diese furchtbare Stelle«, flüsterte er.
»Wo war das?« fragte der Priester.
»Unterirdisch. Eine Mine. Nein, es war ein Tunnel. Er war sehr alt. Ich glaube, er ist schon immer dagewesen.«
»Was ist passiert, als ihr hineingegangen seid?«
»Eine Opferung.«
»Ist jemand gestorben?« wollte der Priester wissen.
»Ja. Jemand. Ein guter Freund.«
»Wer hat diese Person getötet?«
Langsam öffnete der Junge die Augen wieder. »Sie.«
»Die Leute, die bei dir waren?«
»Ja.«
»Warum?«
»Vater?«
»Ja, mein Sohn?«
»Glauben Sie wirklich daran, daß Jesus von den Toten auferstanden ist?«
»Das tue ich. Das ist der Grundpfeiler meines Glaubens.«
»Glauben Sie, daß jemals noch jemand anderes von den Toten auferstanden ist?«
»Die Bibel beschreibt, wie der Herr Lazarus aus dem Grab geholt hat.«
»Ich meine nicht, was der Herr getan hat. Ich meine ganz normale Leute, die zurückkommen. Haben Sie je etwas davon gehört?«
»Du meinst, ohne die Gnade Gottes?«
»Ja«, sagte der Junge.
»Nein. Das ist unmöglich. Nur Gott kann Leben geben.«
»Und der Teufel?«
»Solche Macht besitzt er nicht.«
»Vater«, sagte der Junge, und wieder zitterte seine Stimme. »Ich habe schlechte Nachrichten für Sie.«
8. Kapitel
Erst kurz vor der Dämmerung kam Tracies Gruppe bei dem Haus an. Sie waren aufgehalten worden, was aber nicht hieß, daß sie die Hinweise nicht hätten entschlüsseln können. Rick hatte zehn Minuten nachdem sie den Videoladen verlassen hatten, das Rätsel ›Ein Metallgrab für grauenhafte Echsen‹ gelöst. Ungefähr zur gleichen Zeit mußte er sich übergeben. Paula machte dafür die Anstrengung verantwortlich, bei solch einer Hitze in der Stadt herumzulaufen. Rick hingegen war überzeugt, daß die Milch in seinem Shake sauer gewesen sei. Daraufhin vermutete Paula, Cessys Lippenstift hätte Ricks Strohhalm vergiftet. Cessy hatte einen kräftigen Schluck von Ricks Shake genommen, als sie im Videoladen herumgelungert und auf eine Erleuchtung gewartet hatten. Aber Cessy hatte gar keinen Lippenstift aufgetragen, und außerdem war Tracie davon überzeugt, daß Paula Cessy gerne für alles mögliche verantwortlich
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