Der schwarze Dom
doch.«
»Nicht wirklich«, erwiderte Carl.
»Natürlich«, mischte Davey sich ein. »Du bist doch hier in der Gegend aufgewachsen. Wir müssen weiter. Wir müssen sofort weiter. Wenn nicht, holen die anderen uns ein.«
»Das glaube ich nicht«, meinte Carl.
»Ich würde Rick oder Tracie nicht unterschätzen«, erklärte Davey ernst und blieb vor Carl stehen. Er hatte die gleichen Augen wie Cessy, die gleichen Haare. Auch sonst ähnelten sie sich. Sie sagten, sie wären beide Lügner.
»Ich weiß nicht, ob ich meine Kiste dort hinausfahren will«, sagte Carl.
Davey lächelte, und sein Lächeln war anders als das von Cessy. Ihr Lächeln war verschmitzt und fröhlich. In Daveys war keine Spur von Wärme.
»Denk an den Hauptgewinn«, sagte er. »Die Hawaii-Inseln. Im warmen, blauen Wasser schwimmen.«
»Ich weiß nicht.« Carl zögerte noch immer.
»Wir haben überhaupt keine Wahl«, sagte Davey.
Er hatte wir gesagt. Carl hatte es gehört. Aber sein Gehirn verstand etwas anderes.
Du hast überhaupt keine Wahl.
Carl hätte Davey vielleicht weiterhin widersprochen, wenn da nicht die Echse gewesen wäre. Er hatte keinen Schimmer, woher sie aufgetaucht war, und als er sie sah, konnte er zunächst kaum seinen Augen trauen. Es war die größte Echse, die er jemals gesehen hatte, über einen halben Meter groß, und sie hatte einen Schwanz, der so schuppig war, daß man daraus einen prima Gürtel für eine Heavy-Metal-Band von Teufelsanbetern hätte machen können. Um welche Spezies es sich handelte, konnte er nicht erkennen. Sie hatte die gleiche Farbe wie das Haus. Eine lilafarbene Echse.
Mit zwei Krallen stand sie auf Cessys rechtem Fuß. Startklar, um ihr das Bein hochzukrabbeln. Cessy betrachtete sie von oben – und lächelte.
»Hallo«, sagte sie.
Carl reagierte instinktiv.
Er stürzte vor und holte mit dem rechten Fuß aus. Mit der Schuhspitze erwischte er die Echse am Maul, streifte Cessy dabei nur flüchtig. Unglücklicherweise verlor er selbst bei dem Tritt das Gleichgewicht. Er flog hin, genau wie die Echse. Sie knallte gegen die Hauswand rechts neben der Tür. Er knallte mit dem Kopf auf den Holzfußboden. Ein scharfer Schmerz drang ihm durch beide Schläfen. Er rollte sich zur Seite und fand sich Auge in Auge mit der Echse wieder, die sich aufgerappelt hatte und deren violettfarbene Zunge in Carls Richtung zuckte.
»Tom!« schrie er.
Davey trat drauf. Auf ihren Kopf. Er trug hohe, schwarze Lederstiefel und reagierte blitzschnell. Sein spitzer Absatz rammte mit widerlicher Bestimmtheit den Schädel der Echse in den Boden. Schwarzes Blut spritzte über die zersplitterten Bretter. Die Echse zappelte zweimal kurz mit dem Schwanz und blieb dann bewegungslos liegen. Als Davey langsam den Stiefel anhob, war der Echsenkopf nur noch eine breiige Masse. Carl schloß die Augen. Ihm war hundeelend zumute. Wer ihm auf die Beine half, bekam er nicht mit. Es mußte Tom gewesen sein. Als er die Augen wieder aufmachte, hatte Tom die Hand um seinen Arm gelegt. Sein Gesicht wirkte so teilnahmslos und maskenartig wie am Morgen, als er sich nicht einmal die Mühe gemacht hatte, Cessys nackten Körper anzuschauen.
»Zeit zu gehen, altes Haus«, sagte Tom.
Sie stiegen in den Lieferwagen. Tom setzte sich ans Steuer.
Carl hockte sich auf die Ladefläche. Bevor sie losfuhren, nahm er seine Uhr ab und warf sie vor die Veranda in den Sand. Furcht kroch dunkel und schwer in seinem Herzen hoch. Die Sache mit der Uhr war eine Flaschenpost, eine egoistische Geste. Fast wünschte er sich, die anderen würden gar nicht so weit kommen, sie zu finden.
7. Kapitel
Der Priester hatte aufmerksam zugehört, während der Junge die Einzelheiten der Schnitzeljagd erzählte. Er hatte eine Reihe von Verständnisfragen gestellt und schien ernsthaft an der Struktur des Rätsels interessiert. Als der Junge jedoch immer weiter vom eigentlichen Thema abschweifte, verlor der Priester die Geduld.
»Wann hast du denn diese Person getötet, von der du gesprochen hast?« fragte er.
»Vor langer Zeit«, antwortete der Junge.
»Und warum kommst du erst jetzt zur Beichte?«
»Deswegen bin ich nicht hergekommen. Verstehen Sie denn nicht, was ich sagen will? Sie sind böse. Man muß sie aufhalten. Sie müssen mir helfen, Vater.«
»Ich kann dir nicht helfen, bevor du mir nicht sagst, was du getan hast. Wenn du jemanden umgebracht hast, müssen wir dabei beginnen. Diese Schnitzeljagd, von der du gesprochen hast – sie scheint mir gar
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