Der schwarze Engel

schüttelte: „Hey Miss, jetzt hören
Sie mal zu. Sie scheinen mir etwas schwer von Begriff zu sein. Delicia wird von
vielen jungen Frauen in ihrem Alter und ganz besonders von jüngeren angehimmelt,
das ist richtig, weil sie eine Show abzieht und für jeden das Vorbild spielt.
Sie kann sich eben gut verkaufen. Aber bei uns Männern ist sie scheiß
unbeliebt, denn wir merken schnell, ob die Persönlichkeit einer Frau echt ist,
oder nicht. Und dass an der Frau so einiges Seltsames ist, was verdammt zum
Himmel stinkt, sieht man meiner Meinung nach sofort. Im Übrigen gibt es genug
Leute, die bezeugen können, dass ich nichts von Delicia wollte und dass die
Sachen, die ich hier sage, stimmen. Sie können jeden fragen, den Sie wollen.
Sie können meine Freunde fragen, ob ich was von ihr wollte, die werden Ihnen
alle das Gleiche sagen, was ich Ihnen gesagt habe, und es gibt garantiert auch
genug Zeugen aus den Klubs, die bezeugen können, dass ich die Alte niemals auch
nur annährend angemacht habe. Genau genommen können Sie sich meine Meinung über
Delicia bei einem X-beliebigen bestätigen lassen. Außer bei ihren verblendeten
Freunden, die, um das mal nebenbei anzumerken, alle irgendwie psychisch von der
Rolle zu sein scheinen. Bis auf Lenane. Sie war es nicht. Deshalb hat sie sich
am Ende auch öfters mit ihr gestritten. Im Grunde wollte sie mit Delicia nichts
mehr zu tun haben. Warum? Das ist die Frage, der Sie vielleicht mal auf den
Grund gehen sollten, anstatt mich ständig zu fragen, auf welche Frauen ich
stehe. Sind Sie FBI-Agentin oder Talkshowmasterin?“
    Sharon war verwirrt. Dawson schien
so unerschütterlich zu sein, und seine Aussage hatte so viel Kraft und
Überzeugung, dass sie das Gefühl hatte, er sagte die Wahrheit. Oder er war ein
Meister darin, zu lügen. Des Weiteren bestand die Möglichkeit, dass Delicia
mehr Dreck am Stecken hatte, als Sharon es von ihr hatte annehmen wollen. Doch
wäre das plausibel? Delicia schien viele positive Eigenschaften zu besitzen.
Trotzdem musste sie als FBI-Agentin objektiv bleiben und durfte sich keine
persönliche Meinung bilden. Allerdings spürte sie, dass Delicia ihre Sympathie
gewonnen hatte und es fiel ihr schwer, zu glauben, dass diese junge Frau, über
die man anscheinend viel hörte und dessen freundliches, selbstloses Wesen sie
selbst kennengelernt hatte, irgendetwas Abgründiges im Schilde führte. Doch
Sharon wusste, dass sie ihren Job gut machen musste und versuchte deshalb, ihre
persönlichen Einstellungen zu Delicia weit wegzudrängen und sich darauf zu
konzentrieren, den Fall aufzuklären.
    Sie stand vor einem echten
Problem. Der einzige Verdächtige, den sie hatte, leugnete alles glaubwürdig und
beschuldigte zum Teil Delicia, die Lenanes beste Freundin gewesen war. Viele hatten
bezeugt, dass Delicia und Lenane ein Herz und eine Seele gewesen waren und dass
Delicia eine Art Engel auf Erden war. Wenn Dawson ihr schon so viel zu sagen
hatte, vielleicht würde er sich einmal nützlich machen können und ihr bei einer
wichtigen Frage weiterhelfen können: „Dawson, du kommst ständig auf Delicia zu
sprechen. Was für ein Motiv sollte sie gehabt haben, Lenane umzubringen?“
    Dawson hatte wieder seinen
gelangweilten Blick aufgesetzt: „Woher soll ich das wissen, Sie sind die
Agentin, oder nicht? Ich habe Ihnen schon mal erzählt, dass die beiden einen
heftigen Streit hatten, der sich von den allgemeinen Zickereien abhob.“
    „Gibt es Zeugen dafür? Delicia
selbst streitet das ab und bis jetzt habe ich niemanden finden können, der
diese Aussage bestätigt hat.“
    „Dann treiben Sie jemanden auf. Es
muss Leute geben, die das ebenfalls mitbekommen haben.“
    „Freunde von Lenane?“
    „Das glaube ich nicht. Soweit ich
weiß, waren Delicia und Lenane an diesem Abend nur zu zweit unterwegs.“
    Sharon versuchte, mehr Informationen
herauszubekommen: „Kannst du mir etwas mehr von diesem Streit erzählen?“
    Dawson gab einen seiner
Hustenlaute von sich, bevor er mit belegter Stimme weiter sprach: „Es war in
irgendeinem Klub, ich glaube, der hieß „Beach Night“. Das hat sich vor den
Toiletten abgespielt. Ich war gerade auf dem Weg dorthin, da standen die beiden
in einer Ecke und haben sich fett gestritten, sich angeschrien.“
    „Hast du etwas von dem Streit
verstanden?“
    „Nein, nicht viel. Ich habe nur
gehört, wie Delicia irgendwas gesagt hat von wegen, dass sie total enttäuscht
von Lenane wäre und dass sie das nicht von ihr gedacht