Der schwarze Engel
wäre. Aber so eine tolle Person wie sie konnte man
einfach nicht übersehen, selbst wenn diese versuchte, sich zurückzuhalten.
Gerne hätte sie ihre Freundin noch viel zu dem anstehenden Auftritt gefragt,
doch sie merkte, dass diese nicht weiter darüber sprechen wollte, denn sie
schnitt ein neues Thema an: „Ich bin ja mal gespannt, ob Dawson wirklich der
Killer ist, der Lenane auf dem Gewissen hat!“
Ashleys Miene verdunkelte sich mit
einem Mal: „Ja, da bin ich allerdings auch gespannt! Vor allem hoffe ich, dass
sie ihn schnell dran kriegen, wenn er es war. So schwer kann das doch nicht
sein, die Beweise dafür zu finden!“
„Ich glaube, diese Agentin,
Sharon, ist da schon ganz gut auf der richtigen Spur. Ich habe ihr meine Hilfe angeboten,
falls es etwas gibt, das ich tun kann. Ich möchte niemanden vorschnell
verurteilen, aber ich kann mir ganz gut vorstellen, dass Dawson etwas mit
dieser Sache zu tun hat.“
Ashley stimmte Delicia zu und sie
verbrachten den Rest des Abends damit, darüber zu spekulieren, was Dawson mit
Lenanes Tod zu tun hatte und ob er wirklich ihr Mörder war.
17
Wieder einmal betrat Sharon die
verwüstete, heruntergekommene Wohnung, die einem Rattenloch glich, und wieder
wunderte sie sich darüber, wie man freiwillig so leben konnte. In so einer
Wohnung wäre auch der seelisch stabilste Mensch hochgradig depressiv geworden.
Was in Dawsons Leben hatte es nur so weit kommen lassen, dass er eine solche
Gleichgültigkeit entwickelt hatte und sich nur noch mit billigen Drogen in
schlechte Höhenflüge verkroch? Hatte eins zum anderen geführt? Hatte er keinen
Erfolg in seinem Studium und ständige Ablehnung bei den Mädchen erfahren,
dessen Frustration und Verzweiflung ihn vielleicht in gar nicht vollständigem
Bewusstsein zum ersten Mord getrieben hatte? Hatte von diesem Punkt an sein
Leben seinen Wert für ihn verloren, als er von Schuldgefühlen geplagt zum
ersten Mal begriff, was geschehen war? Hatte er in einem Drogenrausch das Opfer
getötet, das ihn zuvor erniedrigt hatte, oder war dieser Mord bereits geplant
gewesen? Wahrscheinlich war es für Dawson sogar besser, wenn er verhaftet wurde
und ins Gefängnis kam; vielleicht würde ihn dort, so paradox das auch klang,
mehr Leben erwarten, als in seinem jetzigen Zustand.
Der junge Junkie, der in den
letzten Tagen um Jahre gealtert zu sein schien, warf ihr einen verärgerten
Blick zu und Sharon hatte den Eindruck, dass er noch zu gedröhnter als sonst
war. Dieses Mal flegelte er sich nicht auf die Couch, sondern blieb an den
Türrahmen gelehnt stehen. Seine Wangen waren eingefallen, seine Pupillen
geweitet, seine Haare wirr und die Kleidung um sein dürres Skelett schon lange
nicht mehr gewechselt worden: „Und, haben Sie mit der Alten geredet?“
Sharon zeigte keine Spur von
Emotion: „Das habe ich. Das Gespräch war sehr interessant. Du hast einen Fehler
damit gemacht, den Verdacht auf jemanden zu lenken, der einige belastende
Aussagen über dich vorzubringen hat.“
Dawson zog verächtlich die Nase
hoch: „Was meinen Sie damit?“
„Mir wurde erzählt, dass du auch
Delicia angemacht hättest und sauer auf sie warst, weil sie dir genau so wie
Lenane einen Korb gegeben hat.“
Dawson brach in ein gackerndes
Lachen aus, das unheimlich klang: „Das hat sie gesagt? Das sieht ihr ähnlich.
Hören Sie, Lady, das ist eine Lüge! Ich stand nie auf die Alte! Ganz sicher
nicht! Das hätte sie wohl gerne gehabt, aber Delicia ist echt nicht die Art
Frau, auf die man steht, wenn Sie verstehen, was ich meine.“
Sharon reagierte gereizt: „Nein,
ich verstehe nicht.“
Dawson seufzte einmal, als hätte
er ein kleines Kind vor sich, dem er jetzt alles genau erklären musste, weil es
sonst nichts verstehen würde. Er sah sie von unten mit hoch gezogenen
Augenbrauen an: „Delicia ist eine absolut arrogante und eingebildete Pute. Die
trägt ihre Nase so hoch, dass man rein sehen kann. Sie kann nicht einen Satz
normal sagen, ohne dass sie nicht immer krampfhaft versucht, alles so zu sagen
und so zu sprechen, dass es bei jedem gut ankommt. Die Frau ist eine absolute
Nervkuh!“
Sharon fand diese Behauptungen
ungeheuerlich: „Delicia ist, wie jeder weiß, für ihre Persönlichkeit hoch
angesehen. Wenn du mich fragst, Dawson, spricht aus dir der blanke Hass, der
wahrscheinlich genau daher rührt, dass du in Wahrheit sehr viel von ihr
hältst.“
Ein breites Grinsen legte sich auf
Dawsons Gesicht, während er sanft den Kopf
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