Der schwarze Fürst der Liebe
Rudger runzelte die Stirn. Bestimmt eines der Dienstmädchen.
Er setzte seinen Rundgang in dem dämmrigen Haus fort. Es erschien ihm bedrückend still. In jedem der Gänge brannte eine kleine Öllampe als Notbeleuchtung.
Ein sexueller Akt hätte auch seine Schlaflosigkeit vertrieben. Jedoch befand sich die einzige junge Magd offensichtlich beim Fürsten. In die Stadt zu reiten, in der Hoffnung, dass das Wirtshaus noch geöffnet haben würde, war müßig. Außerdem, Rudger verzog unzufrieden den Mund, arbeitete nur eine grauenvolle, alte Hure in der Schenke – Fleisch, das er niemals berührt hätte.
Vielleicht sollte er zum Hof reiten. Und dann? Godeke war fort, Volmar und Arnest tot – nur Bartel, Engellin und Maus lebten dort. Welchen Grund gab es sich an Bartels Hütte heranzuschleichen, um Engellins lustvollen Schreien oder Bartels Schnarchen zu lauschen? Nein. Er saß im Schloss fest und beschloss sich zu betrinken.
Rudger nahm einen der Kerzenhalter, entzündete die Kerze an der Wandlampe und betrat mit dem flackernden Licht das Speisezimmer. In einer Ecke stand auf einem Ständer das Fässchen mit hochwertigem Weinbrand. Er füllte sich einen Krug davon ab, nahm einen Becher und ging zurück in sein Zimmer.
Dieser verdammte Warrenhausen. Es war zu erwarten, dass dieser seine Lage ausnutzen würde. Ihn einfach an den Fürsten zu verraten, war wenig lukrativ. Der Kerl würde sein Wissen ausschlachten wollen. Was plante das fette Schwein wohl als Nächstes? Unzufrieden schenkte Rudger sich Weinbrand in den Becher ein. Er trank und fühlte die scharfe, tröstliche Flüssigkeit in seiner Kehle und wundervoll wärmend im Magen ankommen.
Wie sollte er einer Erpressung begegnen? Er besaß noch den Sold von dem kurzen Kriegszug in den Süden, den der Fürst großzügig verdoppelt hatte. Ob Warrenhausen sich mit einer solchen Summe begnügen würde? Obwohl der Weinbrand sich angenehm anfühlte, verkrampfte sich Rudgers Magen. Am liebsten hätte er dem Scheißkerl von Warrenhausen einfach den Hals umgedreht.
Rudger trank zügig einige große Schlucke. Das half. Er fühlte, wie der kostbare Alkohol sein Gehirn sanft benebelte.
Als er am nächsten Morgen erwachte, lag er im Morgenrock quer über dem Bett, den Becher noch in der Hand. Angewidert stellte er ihn zur Seite. Saufen war in jedem Fall die schlechteste Lösung, das wusste er. Denn nun war sein Gehirn langsam und schwerfällig und wenig bereit seinen Dienst zu tun. Der Geschmack in seinem Mund erinnerte ihn an den Gestank der Abwassergrube des Schlosses. Rudger läutete einem Bediensteten. Er musste ein Bad nehmen, sonst würde der Tag ein Desaster.
Er saß noch entspannt in der Wanne, als ein Lakai mit einem Brief auf einem silbernen Tablett in die Badestube trat. Rudger hob das feuchte Tuch von seiner Stirn und blinzelte mit einem Auge. Warrenhausen hatte keine Zeit verloren. Er war sicher, dass die Nachricht von ihm war. »Treffe dich am Mittag in der Ratsherrn-Schenke. Du solltest erscheinen!« Das Ganze war unterschrieben mit einem großen »W«. Rudger seufzte. Der Kampf begann.
Um die Mittagsstunde war der obere Gastraum der Schenke leer. Rudger lehnte angespannt, aber mit unbewegter Miene an der Wand, während Warrenhausen vor ihm auf und ab lief. Sie hatten Godeke eingeschärft, dass sie keine Störung wünschten. Rudger beobachtete den fetten Freiherrn und wappnete sich innerlich für das Kommende. Eins stand fest: Er würde sich von ihm nicht ins Bockshorn jagen lassen.
»Für mein Stillschweigen gegenüber dem Fürsten werde ich dir nun die Bedingungen stellen, Bürschchen.« Der rotgesichtige Kerl blickte ihn mit seinen durchdringenden Augen an.
»Ich höre!« Rudger stieß sich von der Wand ab und baute sich vor Warrenhausen auf.
»Ich erwarte, dass du meine Tochter in ihrem Bestreben Fürstin zu werden, unterstützt.«
Dass die aufstrebende Lena sich an den Fürsten klammern würde, hatte Rudger bereits vermutet. »Gut, und weiter?«
»Geld interessiert mich nicht«, fuhr Warrenhausen fort. »Meine Spione haben mir jedoch etwas Interessantes über deine Freunde berichtet. Unter ihnen soll sich eine Heilerin befinden. So ein blondes, dralles Ding.« Ihr Götter, dachte Rudger, er ist hinter Engellin her! »Ich will wissen, wo sich deine Spießgesellen verstecken!«
Mit allem hatte Rudger gerechnet – nur damit nicht. Er versuchte sich zu fassen, und ein gleichgültiges Gesicht zu machen. »Verrat gegen Verrat, wie?«, fragte er
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