Der schwarze Fürst der Liebe
ihre Lider. Sie schlug die Augen auf. Ein Traum stand noch darin, der langsam floh. Das grüne Licht in der Iris verstärkte sich – dann war sie wach. Sie sah seinen Gesichtsausdruck und schlang die Arme um ihn. Er verspürte den Wunsch die Zeit anzuhalten. Einfach „Halt!“ zu rufen und so zu bleiben – für immer. Er seufzte aus tiefstem Herzen. Nein, er musste sich dem Leben stellen.
Die ersten Wildgänse waren schreiend über das große Felsmassiv Richtung Süden geflogen. Besorgt dachte er daran, dass viele Dinge fehlten, um den bevorstehenden Winter zu überstehen. Es mangelte an Geld und Nahrungsmitteln.
»Du machst dir Sorgen?«, fragte sie, setzte sich auf und richtete ihr Haar mit ein paar metallenen Haarklammern.
Er nickte. »Der Winter steht bald vor der Tür – wir haben nicht genügend vorgesorgt.«
»Wir sind nur zu dritt«, erinnerte sie ihn. »Wir brauchen nicht mehr so viel Feuerholz und Vorrat.«
Das stimmte. Rudger war die meiste Zeit bei seiner Freundin, der Magd des Fürsten. Ihn brauchte man kaum in die Winterplanung mit einzubeziehen. Bartel selbst würde mit Maus noch etliche Male jagen gehen können. Das einzige, das wahrhaftig fehlte, war Geld.
»Ich wollte dir übrigens etwas sagen«, meinte Engellin unvermittelt. Bartel blickte sie aufmerksam an. »Du wirst es sicher ungern hören, aber ich hatte gestern beim Zubereiten eines Trankes eine Vision von Rudger.« Sie machte eine nachdenkliche Pause. »Ich sah wenig – nur sein Gesicht – jedoch den finsteren Ausdruck in seiner Miene werde ich nie vergessen.«
Bartel schüttelte bedächtig den Kopf. »Das kann alles mögliche bedeuten, Engellin. Es muss nichts mit uns oder dem Hof zu tun haben.«
Sie seufzte. »Ich weiß es nicht – aber es war sehr unheimlich.«
Maus klopfte an die Tür und trat ein. »Ich wollte nur sagen: Ich habe neue Schlingen ausgelegt für die Kaninchen«. Plötzlich nahm er wahr, dass sie beide noch im Bett lagen, und senkte errötend den Kopf.
»Bestens«, grunzte Bartel und schleuderte die Bettdecken beiseite.
Maus drehte sich verlegen zur Tür. »Ich gehe sie dann morgen einsammeln.« Er verließ eilig die Hütte.
Sie hatten gerade das Frühstück beendet, als Hufgetrappel auf dem felsigen Untergrund vor den Häusern zu vernehmen war. Das konnte nur Rudger sein, dessen Besuche auf dem Hof selten geworden waren. Der Gast, der nach kurzem Anklopfen in das Blockhaus trat, war wirklich Rudger. Wie immer trug er warme, bäuerliche Kleidung in Braun und Grau, zusammen mit seinen geliebten, Lederstiefeln.
Bartel steckte sein Zahnhölzchen in die Tasche und sah ihm entgegen. Er grinste. »Guten Morgen, Rudger! Komm rein. Setz dich!«
Rudger kontrollierte seine Stiefelsohlen nach Dreck, was Engellin lächelnd zur Kenntnis nahm, marschierte in die Stube und schob sich auf die Holzbank. Erfreut ergriff er den dampfenden Becher voller Kräutertee, den Engellin ihm auf den Tisch stellte, und sog schnuppernd das aufsteigende Aroma ein. »Du machst wirklich die besten Tees«, lobte er. Ein Lächeln erhellte sein Gesicht. »Kein Wunder, dass du Bartel zum Teetrinken bekehrt hast!« Engellin strahlte und wandte sich zum Herd.
»Was gibt’s Neues?« Bartel musterte ihn eingehend. Nach wie vor hatte er das Gefühl, dass sich sein alter Freund verändert hatte. Aber er konnte nicht genau sagen, was es war.
»Es passiert allerhand im Schloss«, begann Rudger. Seine braunen Hände drehten den Teebecher. »Denke mal der Fürst wird wieder heiraten.«
»Ach? Wen denn?« Das war ja interessant.
»Lena Warrenhausen!«
Lena? Der Name sagte ihm nichts. Bartel hatte auch Warrenhausen nie persönlich getroffen . »Wie alt ist sie?«
Rudger grinste. »Ich schätze sie auf achtzehn Lenze.«
Bartel pfiff durch die Zähne. »Der alte, geile Sack!« Nach dem, was er bei dem Überfall von Mordersbergs Gattin gesehen hatte, konnte man ihm die Wahl fraglos nicht verübeln. Die verschollene Fürstin war ein hässliches, dürres Gerippe gewesen.
»Sie wollen an Weihnachten heiraten.«
Bartel dachte nach. »Bestimmt zahlt Warrenhausen eine anständige Mitgift«, mutmaßte er.
Rudger blickte auf.
»Das wird wohl so sein, Bartel«, antwortete er bedächtig.
Bartel hielt inne. Da erschien aus heiterem Himmel das Geld, das ihnen noch fehlte. Ein einziger Raubzug würde genügen.
Rudger sah ihn prüfend an: »Denk nicht mal daran, Bartel.«
»Warum?«, entgegnete er. »Bist du Mordersberg denn irgendwie
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