Der schwarze Fürst der Liebe
volle Brust beben. Sie hatten sich noch nie angebrüllt, waren niemals zueinander laut geworden, nun allerdings hatte er fast den Eindruck, dass es so weit war. Es drängte sie, ihn verzweifelt anzuschreien.
»Tu dir keinen Zwang an und schrei ruhig«, sagte er gelassen. Engellin hielt inne. Sie warf sich vor ihm auf die Knie. »Bartel, ich will nicht brüllen – aber du bringst mich zur Verzweiflung. Wir werden den Winter auch ohne die Mitgift überleben. Wir können arbeiten. Ich kann wieder als Heilerin Geld verdienen. Bitte lass den Überfall sein!«
»Rudger geht doch mit und gibt mir Rückendeckung«, beharrte er. »Es wird alles glatt laufen.«
Engellin seufzte. »Du bist so bockig, Bartel – das bricht dir noch das Genick!«
Er nickte. Das war unabänderlich. Nicht, dass er nicht am Leben hing – aber er hatte keine Lust sich über unvermeidbare Dinge den Kopf zu zerbrechen. Die Zeiten waren hart, und wenn es einem bestimmt war zu sterben – dann war man eben tot.
»Du weißt, dass ich gehen muss«, antwortete er stur. »Mach es mir doch bitte nicht so schwer. Wie soll ich kämpfen, wenn ich weiß, dass du dir hier die Augen ausheulst?« Er streichelte ihre Wange. »Lass uns den Abend genießen.« Sie nickte. Dicke Tränen erfüllten ihre Waldsee-Augen. »Ich möchte dich nicht so traurig sehen, Engellin.«
»Bitte«, flehte sie, »leg wenigstens die Rüstung an.«
Er schüttelte den Kopf. »Engellin, dieses Ding macht mich zu einem blutrünstigen Monster. Ich brauche einen klaren Verstand. Außerdem geht es hier nur um einen einzigen Mann«.
Engellin gab auf. In dieser Nacht war sie so zärtlich wie nie zuvor. Bartel staunte, denn er hatte nicht gedacht, dass in ihrer Hingabe noch eine Steigerung möglich war. Sie vereinigten sich zu einer Person und flogen hoch zu ihrem Schöpfer, der sie milde lächelnd auf die Erde zurückschickte. Leider war dieser Untergrund sehr hart – sie schlugen unsanft auf. Er musste sie verlassen und versuchen, ihre Existenz in diesem vor der Tür stehenden Winter, zu sichern.
Rudger hatte ihm einen Treffpunkt im Wald genannt und den Weg, den der Geldbote mit der Mitgift nahm. Einen einzelnen Reiter mit so viel Geld loszuschicken war leichtsinnig, aber Rudger hatte ihm berichtet, dass gleichzeitig ein Ablenkungsmanöver mit der Kutsche des Freiherrn stattfand. Bartel konnte sich nicht vorstellen, welche Schwierigkeiten es bei der Überwältigung eines einzigen Mannes geben sollte – zumal das Überraschungsmoment auf seiner Seite lag. Dazu kam, dass Rudger ihm noch versteckt den Rücken decken würde.
Er küsste Engellin, winkte Maus zu, der einige Strohballen in den Stall schleppte, und streichelte den Hunden über den Kopf. »Zurück«, befahl er, »dieses Mal nicht.« Fox und Max zogen die Schwänze ein.
Bartel zog los. Der Wind brauste durch die dunklen Tannen, die mit den Zweigen nach ihm schlugen. Nein, das bildete er sich nur ein. Die Bäume versuchten nicht, ihn aufzuhalten. Engellin hatte ihn mit ihren düsteren Vorahnungen wahrlich schon verrückt gemacht. Für so etwas hatte er keine Zeit. Also stapfte er unbeirrt den schmalen Weg durch den Wald zwischen dem Anwesen Warrenhausens und dem Schloss des Fürsten. Doch die bedrückenden Gedanken kehrten zurück. Engellin hatte ungewöhnlich besorgt gewirkt. Warum nur? Sie hatte ihn sogar auf Knien gebeten, von seinem Vorhaben abzulassen. Er runzelte die Brauen und drückte den feuchten Ast einer Tanne zur Seite, um sich Durchlass zu verschaffen. Dadurch, dass er den Plan kannte, war sein Risiko doch wahrlich gering. Nein, er würde Engellin einen bequemen Winter ermöglichen – und das auf Kosten der Reichen, genau so, wie er es immer gehalten hatte. Er nickte.
Bartel hatte den beschriebenen Ort erreicht, als ihn Rudger aus einem Gebüsch anzischte. Er war dunkel gekleidet, so dass Bartel ihn kaum wahrnehmen konnte. »Den Pfad von West nach Ost«, raunte er. »Versteck dich!«
Bartel erkannte den schmalen Weg und fluchte wegen der miserablen Deckung. Die Tannen waren an dieser Stelle einem annähernd kahlen Mischwald gewichen und es gab nur wenig Unterholz um sich zu tarnen. Bartel legte sich auf die raschelnden Blätter in einer kleinen Senke, überprüfte nochmals seine Waffen und wartete. Der Reiter bewegte sich langsam, fast geräuschlos und sein Pferd war durch seine braune Farbe fast unsichtbar. Er ritt mit gesenktem Kopf, den Hut weit in die Stirn gezogen. Rechts und links am Sattel hingen
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