Der schwarze Fürst der Liebe
Fürst hätte sie alle aufgeknüpft – und ihn mit dazu. Hatte es eine Wahl gegeben? Warum hast du Bartel nicht die Wahrheit gesagt?, fragte die Stimme. Du hättest das Schloss verlassen und an seiner Seite kämpfen können. Ehre. Hast du überhaupt keine Ehre im Leib?
»Sei still!« Er schrie gequält auf. Drückte die Stirn auf die raue Baumrinde. Schlug damit auf den Baumstamm. Der Schmerz tat gut. Er hämmerte wie ein Besessener den Schädel gegen den Baum, bis seine Haut aufgeplatzt war und ihm Blut über das Gesicht rann. Was hatte er getan? Er würgte und musste sich übergeben. Hob den Kopf und blickte zu seinem Pferd. Bartels Leiche hing noch im Sattel. Rudger konnte es immer noch nicht fassen. Er war ein Monster! Eine eiskalte, berechnende Bestie. Er kniete in den braunen Farnen, zog seinen Dolch aus dem Halfter und schnitt sich langsam die Arme auf. Rechts und links – die Außenseiten vom Handgelenk bis zum Ellenbogen. Er fühlte, wie das Blut aus den Wunden lief. Er wollte den Schmerz ausbluten, aus sich heraus strömen lassen.
Das Schlimmste hatte er noch vor sich: Er musste der Frau, die er liebte, ungeheure Pein zufügen – musste ihr Bartels Leichnam bringen.
Zitternd betrachtete er seine blutende Haut. Warum gaben ihm die Schnitte keine Erleichterung? Hatte er nicht tief genug geschnitten? Einen Moment lang spielte er mit dem Gedanken, auch die Innenseiten der Arme zu ritzen und sich so umzubringen. Aber hätte das jemandem geholfen? Einen seiner Freunde wieder lebendig gemacht? Er hatte gedacht er müsse Engellin beschützen. Er war überhaupt nicht würdig das zu tun. Er war das Monster, vor dem man andere in Schutz nehmen musste.
Rudger erhob sich torkelnd und schwang sich hinter der Leiche aufs Pferd. Blutverschmiert wie sein toter Freund ritt er über ihm zusammengesunken zum Hof. Der Wallach kannte den Weg.
Engellins durchdringender Schrei brachte Rudger zu Besinnung. Maus zog sie beide aus dem Sattel und legte sie vor das Haus. Engellin hatte sich auf Bartel gestürzt.
Mit trübem Blick betrachtete Rudger, wie Engellins Körper über Bartels Leichnam bebte. Er hatte ihr diesen Schmerz angetan. Er wollte sich erheben, aber seine Beine wollten ihn nicht tragen. Der Blutverlust hatte ihn stark geschwächt. Maus kam mit Wasser und half ihm zu trinken. Er konnte nicht aufhören zu zittern. Wie vom Fieber geschüttelt saß er auf dem staubigen Boden.
Bartels Hunde hockten auf ihren Hinterläufen und heulten. Laut und eindringlich. Eine grausige Begleitmusik des Todes und der Trauer. Maus wollte Rudger in Bartels Hütte bringen, aber er wehrte ab und kroch in sein eigenes Haus. Dort blieb er wie tot vor der erkalteten Feuerstelle liegen. Er würde gehen und nicht mehr wiederkehren. Engellin stand ihm nicht zu – er hatte höchstens selbst den Tod verdient.
Kapitel 48 - Aufbruch
Geübte Hände berührten ihn und wuschen ihn sanft. Engellin kniete neben Rudger und fuhr ihm mit einem feuchten Tuch über das Gesicht, um den Schmutz und das verkrustete Blut zu entfernen. Er spürte Verbände um seine zerschnittenen Arme. Er wehrte ab – wollte nicht von ihr angefasst werden. »Rudger, sei vernünftig! Halte still!« Er starrte sie an. Blickte in ihr gequältes Antlitz mit den verquollenen Augen.
»Ich will nicht wissen, was passiert ist. Ich sehe es an eurem Zustand. Du bist immerhin lebendig zurückgekommen.«
Sie dachte höchstwahrscheinlich, dass die Mitgift einfach zu stark bewacht und Bartel zu leichtsinnig gewesen war. Er brauchte sie nicht anzulügen. Rudger stöhnte.
»Ich wusste, dass das passieren würde«, bekannte Engellin leise.
»Ich gehe fort, Engellin.« Rudger richtete sich auf. »Ich glaube nicht, dass ich noch einmal zurückkehren werde.«
Engellin nickte verstehend. »Ich möchte, dass du die Rüstung mitnimmst, Rudger. Bartel kann sie nun nichts mehr nützen – du wirst sie gebrauchen können.« Sie deutete auf einen Sack, der neben ihr auf dem Boden lag. Die Rüstung? Dieses Ding, das jeden Mann zum unbezwingbaren Kämpfer machte? Rudger hatte kurz die Vision von sich auf einem Schlachtfeld in Blut gebadet. Ob das seinen Schmerz lindern würde? War das die Lösung? »Ich nehme sie an, Engellin.«
Er kam auf die Beine, schwankte. Engellin wollte ihn umarmen, aber er wich zurück. »Nein!« Er hob den Sack auf und ging langsam zur Tür. »Ich danke dir für alles, Engellin. Du bist eine«, ihm fehlten die Worte, »eine …« er winkte ab. Jede Bemerkung von ihm
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