Der schwarze Fürst der Liebe
pralle, lederne Satteltaschen. Bartel hielt den Atem an.
Kaum war der Bote an ihm vorbei, stürzte er lautlos von hinten an ihn heran und durchschnitt die Sehnen an den Hinterbeinen des Pferdes. Das brachte das Tier augenblicklich zum Sturz. Er riss den Kerl vom Gaul, warf ihn mit dem Rücken auf den Boden und setzte ihm das Knie auf die Brust. Bartel blickte kurz in sein fettes, rotes Gesicht und wunderte sich, dass sie so einen unfähigen Mann losgeschickt hatten, die Mitgift zu überbringen. Doch die Zeit drängte. Im Bruchteil einer Sekunde hatte er dem Fettwanst die Kehle durchgeschnitten. Das Blut spritzte, traf ihn aber nicht. Keuchend hielt Bartel inne und betrachtete sein Opfer. Das war wirklich eigentümlich. Dieser Kerl war aufgedunsen und kein Kämpfer. Wieso hatte man keinen jungen, guten Reiter mit dieser großen Summe losgeschickt?
In diesem Moment erhielt er einen heftigen Schlag auf den Hinterkopf, der seinen Schädel fast zum Platzen brachte. Er fühlte, wie ihm das Blut von der Kopfwunde in den Nacken lief, und hielt sich mit Mühe aufrecht. Es raschelte hinter ihm. Er wollte aufspringen, war aber zu benommen. Ein scharfer Schmerz im Rücken ließ ihn keuchen. Ein Messer! Ein zweiter Stoß. Tiefer! Man hatte ihm in den Rücken gestochen. Ihn hinterrücks gemeuchelt. Nach Atem ringend hob er den Kopf. Seine Brust brannte wie Feuer. Dunkel gekleidete Männer umringten ihn. In der Mitte von ihnen – das war Rudger. Ungläubig starrte er in Rudgers Gesicht, das eisern wirkte wie eine Maske. Etliche Bilder rasten in dem Bruchteil einer Sekunde durch sein Gehirn und er verstand plötzlich: Er sah seinen besten Freund, die sehnsüchtigen Augen auf Engellin gerichtet. Er betrachtete Rudger auf dem Hof stehend, unnahbar, mit einem Siegelring am Finger. Und er erblickte Engellin, die ihn warnte, die Rudger in ihrer Vision erkannt hatte. Ja, ihr liebes, besorgtes Gesicht gewahrte er zum Schluss. Du hattest recht, dachte er.
Sein Blickfeld verdunkelte sich langsam. Kniend, kurz bevor sein Blick brach, sah er verschwommen den Soldaten neben Rudger mit einem zweigezackten Spieß zum endgültigen Todesstoß ausholen. Er versuchte, die Hand zu seinem Freund zu heben. Die beiden Zinken bohren sich in seine Brust und wurden mit einem Ruck herausgezogen. Fleischfetzen hingen an ihnen. Er fiel vorneüber, die Lippen noch geöffnet, weil er Rudger nach dem Warum fragen wollte. Weicher Waldboden drang in seinen Mund – er wollte atmen, aber die Erde verstopfte alles – dann lag er still.
ZWEITES BUCH: MORTIFERIUS
Kapitel 47 - Späte Einsicht
Rudger blickte auf den zusammengesunkenen Bartel. Wie konnte es sein, dass dieser starke Kämpfer so einfach zu töten war? Wieso war er ohne nach rechts und links zu blicken in diese so durchschaubare Falle gelaufen? Er war dein Freund und er hat dir vertraut, antwortete seine innere Stimme. Du hast ihn auf dem Gewissen. Aber reiß dich sofort zusammen, die Büttel sind immer noch da. Gib dir keine Blöße!
Mit eiserner Miene schickte Rudger die Soldaten fort, um dem Fürsten die Mitgift und Warrenhausens Leichnam zu überbringen. Unbewegt wartete er, bis die Männer verschwunden waren.
Dann brach er schluchzend neben Bartel in die Knie. Was hatte er getan? Er hatte seinen Erpresser aus dem Weg geräumt und seinen besten Freund geopfert, um sich selbst den Weg zu ebnen. Den Weg wohin? In ein vermeintlich besseres Leben? Den zu Engellin?
Zitternd kam Rudger auf die Beine, lud Bartels blutende Leiche auf sein Pferd – konnte den Steigbügel vor Tränen nicht sehen, als er aufstieg und sich hinter seinen toten Freund in den Sattel drückte.
Tränenblind ritt er zu dem Baum, in der er seine Kleidung verwahrte. Er stieg ab, entkleidete sich und zog seine weniger vornehme Bauernkleidung an. Dann war er mit seiner Beherrschung endgültig am Ende. Rudger brach vor der Eiche zusammen. Er war ein Verräter! Ein Mörder! Er hatte etliche Menschen getötet. Ihnen aufgelauert und sie umgebracht, weil der Überlebenskampf es so forderte. Oder aufgrund eines Befehls – als bezahlter Söldner. Doch das hier war etwas anderes. Er war abgrundtief gesunken. War zum Meuchelmörder an dem Mann geworden, dessen Freundschaft ihm so viele Jahre lieb und wert gewesen war. Der ihm so oft das Leben gerettet hatte. Du wolltest Engellin beschützen, raunte seine innere Stimme. Warrenhausen hätte nicht geruht, bis er sie bekommen hätte. Bartels Diebstahl wäre nicht ungesühnt geblieben. Der
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