Der schwarze Kanal
zusammengenähte Zitatfetzen.
Vielleicht liegt das Missverständnis schon darin, eine politische Ausdeutung von Attentaten wie in Oslo zu versuchen. Politik heißt immer auch Interessenausgleich, der Terror aber ist seinem Wesen nach apolitisch. Der Terrorist will nicht verhandeln, sondern zerstören. Die einzige Botschaft, die er für uns bereithält, ist die Negation von allem, was uns heilig ist. Seine Gewalt ist kein Mittel zur Kommunikation, sondern das Medium, durch das er zu sich selber spricht; er ist allein an der Machtfülle interessiert, die ihm der Triumph über andere ermöglicht. Wenn überhaupt, dann ist dieser Drang zur Selbstermächtigung psychologisch zu erklären. Es ist ja vermutlich kein Zufall, dass sich vor allem junge Männer mit einer Fixierung aufs Sexuelle zum Massenmord hingezogen fühlen. Das gilt für die Dschihadisten und ihren seltsamen Traum von Gruppensex im Paradies, und das gilt auch für den Todesschützen aus Oslo, in dessen Selbsterklärung sich alle Ansteckungsphobien des gestörten Mannes finden.
Viel war im Nachgang von der offenen Gesellschaft die Rede, die es zu verteidigen gelte. Kaum ein Kommentar kam ohne ein Lob für die Haltung der Norweger aus, die dem Hass das Bekenntnis zur Freiheit entgegensetzen. Man mag darüber streiten, ob dieses Bekenntnis bedeuten muss, auf mehr Sicherheit und schärfere Strafgesetze zu verzichten. In jedem Fall aber gehört zur Freiheit das Eintreten gegen Denunziation und Einschüchterung. Die Erfahrung lehrt, dass Vorsicht geboten ist, wenn das Leid fremder Menschen zum politischen Geländegewinn benutzt wird. Diese Enteignung kommt immer hochmoralisch daher, dabei ist sie alles andere als das.
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Achtung, Gemeinschaftspathos!
Vielleicht muss man an dieser Stelle doch einmal auf die landsmannschaftliche Herkunft von José Manuel Barroso zu sprechen kommen. Wir erinnern uns, das ist dieser immer etwas traurig dreinblickende Mann mit der sympathischen Knollennase, der unweigerlich mit im Bild ist, wenn sich die Bundeskanzlerin zu einem Gipfeltreffen in Brüssel aufhält. Barroso ist Portugiese. Das spricht nicht gegen ihn, Gott bewahre. Portugal ist ein schönes Land mit viel Sonne, freundlichen Menschen und einer langen, stolzen Tradition als Seefahrernation. Man kann nur allen zu einem Besuch raten, die noch nicht dort waren.
Allerdings zählt Portugal auch zu den Zwergstaaten an der Peripherie des europäischen Staatenverbundes, die in der jüngeren Vergangenheit so über ihre Verhältnisse gelebt haben, dass sich nun das ganze Unternehmen in Gefahr befindet und Angela Merkel ein Krisengespräch nach dem anderen führt. Muss man noch erwähnen, dass Barroso als Ministerpräsident seines Landes alle Eide auf die Maastricht-Verträge abgelegt hat, bevor er dann an die Spitze der EU -Kommission wechselte? Und dass Portugal, ein Jahr nachdem er Lissabon gen Brüssel verlassen hatte, das höchste prozentuale Defizit auswies, das bis dahin ein Euro-Land zu melden wusste?
Man sollte also denken, dass sich der Kommissionspräsident ganz kleinmacht, wenn in Europa darüber nachgedacht wird, wie man die Südländer finanziell über Wasser hält. Europa heißt in diesem Fall: in Deutschland und Frankreich, also den beiden Staaten, aus denen im Wesentlichen das Geld kommt, das zur Rettung an anderer Stelle gebraucht wird. Aber so selbstbescheiden kann man die Sache als Präsident der EU -Kommission natürlich nicht sehen. Außerdem gehört Geld aus Brüsseler Sicht zu den Dingen, die immer ausreichend da sind, daran hat auch die Krise nichts geändert. Notfalls erhöht man eben ein paar Steuern.
Was liegt da näher, als die Sache selber in die Hand zu nehmen, wenn sich die Mitgliedstaaten zieren? Vor einiger Zeit hat die Kommission für sich das Recht reklamiert, endlich selbst Steuern erheben zu dürfen. Für den Anfang hätte man gern ein paar Prozentpunkte auf die Mehrwertsteuer, dazu eine Beteiligung an der geplanten Abgabe auf alle Finanztransaktionen. So eine Krise ist zu vielem gut, auch zur Durchsetzung langgehegter Wünsche.
Im Sommer 2011 hat Barroso sich wieder Gedanken gemacht und dazu einen Brief an die 27 Staats- und Regierungschefs der EU geschrieben. Eigentlich war es mehr ein offener Brief, also jene Art von Schreiben, die man aufsetzt, wenn man vor allem auf sich selber aufmerksam machen will. Was stand in dem Brief drin? Dass die Dinge weiter ernst sind und man deshalb den Krisenfonds so aufstocken
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