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Der schwarze Kanal

Der schwarze Kanal

Titel: Der schwarze Kanal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Fleischhauer
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seinem Land nach Einführung des Euro zwei Jahre als Ministerpräsident diente, war hier ebenfalls nicht unerwähnt geblieben. Eben dies aber hat nun den besonderen Ingrimm des Kommissionspräsidenten hervorgerufen, wie man der Protestnote aus Brüssel entnehmen kann: Herr Barroso habe in seiner Zeit als Regierungschef die Neuverschuldung Portugals deutlich gesenkt, heißt es dort, für alle späteren Defizitsteigerungen seien die «nachfolgenden Regierungen» verantwortlich.
    Auch die beanstandete Kolumne hatte nicht behauptet, dass Barroso das Defizit seines Landes in die Höhe getrieben habe; vielmehr wurde in ihr ausdrücklich vermerkt, dass der Schuldenstand genau ein Jahr nach seinem Wechsel von Lissabon nach Brüssel einen ersten Rekordstand erreichte. Aber offenbar reicht das Barroso nicht als entlastender Hinweis. Der Mann will als ein Politiker gelten, dem man bedenkenlos sein Geld anvertrauen kann, also wünscht er jetzt auch keine Gegendarstellung, sondern eine Ehrenerklärung.
    Man würde ihm ja den Gefallen gerne tun, schon um sich als guter Europäer zu erweisen. Das Problem ist nur, dass es sich mit den Fakten so schwer verträgt. In Wahrheit ist es Barroso in seiner Zeit als Ministerpräsident nur denkbar knapp gelungen, die Neuverschuldung unter den im Maastricht-Vertrag vereinbarten drei Prozent der eigenen Wirtschaftskraft zu halten. 2004, also im Jahr seines Amtswechsels, lag das Defizit schon wieder bei 3,4 Prozent und damit deutlich über dem Erlaubten. Und auch diese Sparanstrengung, auf die der Kommissionspräsident heute so stolz ist, hält leider nicht das, was sie zu versprechen scheint.
    Statt vor allem die Ausgaben zu senken, um so zu einem ausgeglichenen Haushalt zu kommen, behalf sich seine Regierung damit, die Bilanz durch sogenannte Sondereinnahmen aufzubessern. Erst ließ Barroso staatliche Beteiligungen verkaufen, dann zapfte er die Pensionskasse des staatseigenen Postunternehmens an. Als auch das nicht mehr reichte, ließ er ein Gesetz verabschieden, das es ihm ermöglichte, künftige Steuerzahlungen an der Börse zu verkaufen. Die Experten wussten natürlich, was sie von solcher Zahlenkosmetik zu halten hatten: «Portugals regulärer Fehlbetrag bei fünf Prozent», meldete die «Börsen-Zeitung» im November 2003, da war Barroso im zweiten Jahr seiner Amtszeit.
    Schwer zu sagen, was man in der EU -Kommission unter «Haushaltsdisziplin» versteht. Normalerweise ist damit jedenfalls nicht gemeint, dass man einfach alles unter die Leute bringt, was sich irgendwie zu Geld machen lässt. Diese Art der Haushaltssanierung ist nicht sehr nachhaltig, wie das Beispiel von Portugal zeigt. Anderseits ist es nie zu spät, mit dem Sparen anzufangen, wenn es einem wirklich ernst damit ist. Nirgendwo in der westlichen Welt verdient man als Beamter netto so gut wie in Brüssel. 3907 Euro netto beträgt das Einsteigergehalt einschließlich der Zulagen, so viel bekommt man hierzulande noch nicht mal als Referatsleiter in einer obersten Bundesbehörde. Aber vielleicht sollten wir den Punkt hier lieber nicht vertiefen, sonst gibt es gleich wieder einen Brief wegen der falschen Tonalität.

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Warum Frank Schirrmacher irrt
    Okay, sagen wir einfach, die Linke hat recht. Damit liegt man zur Zeit immer richtig, mit diesem Bekenntnis kommt man anstandslos durch jede Debatte. Seit in England für ein paar Tage die Straßen brannten und an den Börsen die Kurse purzeln, steht die linke Gesellschaftskritik wieder hoch im Kurs. Wenn man « FAZ »-Herausgeber Frank Schirrmacher glauben darf, haben die Systemzweifel inzwischen sogar das bürgerliche Lager erreicht. Als Kronzeuge für diesen Befund dient ihm der britische Journalist Charles Moore, der sich nach 30 Jahren als bekennender Konservativer im «Daily Telegraph» die Frage stellte, ob er nicht sein Leben lang falschgelegen habe. «Ehrlich gesagt: Wer könnte ihm widersprechen?», schreibt Schirrmacher dazu. Das nennt man wohl eine akute Glaubenskrise.
    Schwer zu sagen, was genau bei Leuten wie Moore den Zerknirschungsschub auslöste, der sie nun dazu bringt, der Linken zu ihrer Hellsichtigkeit zu gratulieren. Vielleicht ist ihnen im jüngsten Börsensturm ein Aktienpaket zu viel um die Ohren geflogen; vielleicht wollen sie auf ihre alten Tage auch einfach noch einmal zum vermuteten Mainstream aufschließen. Der Gesinnungswandel wird natürlich dankbar aufgenommen: Wenn schon die Konservativen ihren Glauben an den Kapitalismus

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