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Der schwarze Korridor

Der schwarze Korridor

Titel: Der schwarze Korridor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moorcock
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Bevölkerungsexplosionen bei verminderten Erträgen. Das brach plötzlich über uns hinein. Vielleicht hatten wir einfach die Probleme verdrängt, genau wie man in den späten Dreißigerjahren die Möglichkeit eines Krieges mit Deutschland verdrängt hat. Wir Homosapiens haben eine fatale Neigung, unsere Köpfe in den Sand zu stecken und doch zu glauben, den Überblick zu behalten.
    Ryan lächelte bitter. Es ist wahr, denkt er. Unter gewissen Umständen suchen sich die Menschen Ersatzprobleme und rühren das Hauptproblem nicht an, weil es zu schwer zu bewältigen ist. Wie der Mann, der in seinem Haus einen Sixpence verlor und beschloß, es draußen zu suchen, weil dort mehr Licht war und er Kerzen sparen konnte.
    Er fährt fort, ins Logbuch zu schreiben:
    Und es wird immer einen verdammten Messias geben, der ihre Wünsche erfüllt und dem sie blindlings folgen, weil sie zu ängst lich sind, sich auf ihren gesunden Menschenverstand zu verlassen.
    Leaders, Führer, Duces, Propheten, Visionäre, Gurus …
    Seit Hunderten von Jahren wurde die Welt von schlechten Poeten regiert. Ein guter Politiker ist nur zu einem geringen Teil Visionär – wichtiger ist, er muß ein Mann sein, der die Bedürfnisse des Volkes klar und deutlich erkennt und versucht, danach zu handeln. Visionäre sind gut, um die Leute zu inspirieren – aber sie sind die schlechtesten Führer – sie versuchen ihre ziemlich simplen Ansichten einer extrem komplizierten Welt aufzuzwingen. Warum ist die Politik und die Kunst in den letzten 100 Jahren so miteinander verschmolzen. Warum hat man schlechten Künstlern Nationen als Leinwand gegeben, um darauf ihre Kleckse zu machen. Vielleicht weil die Politik, wie zuvor schon die Religion als effektive Macht nicht mehr existierte und irgend etwas Neues gefunden werden mußte. Und die Kunst rückte nach, bis etwas Neues auftauchen würde. Wird etwas auftauchen? Schwer zu sagen. Auf München 15040 werden wir wahrscheinlich nie erfahren, ob die Erde überlebte oder nicht.
    Gott sei Dank hatten wir die Kraft, dieses Schiff auf den Weg zu den Sternen zu bringen.
    Die Zeit zum Schreiben war zuende. Ryan legt das Logbuch schnell beiseite und beginnt, das Schiff zu überprüfen.
    Ryan hatte sich selber beigebracht, wie man ein Raumschiff steuert.
    Er war kein ausgebildeter Astronaut. Niemand hatte vorausgesehen, daß gerade er je in der Steuerzentrale eines Raumschiffes sitzen würde.
    Bis vor kurzem war er noch ein sehr erfolgreicher Geschäftsmann gewesen.
    Während er die Geräte überprüft, denkt er zurück an jene Zeit, in der er noch nicht einmal im Traum den Weltraum erobern wollte.
    Er denkt an einen großen schweren Mann von vierzig Jahren, der in seinem riesigen, mit Teppichen ausgelegten Büro steht. Heute ist Ryan jemand, der wie ein Mönch im Mittelalter dazu berufen ist, über das Wissen und Leben in einem Kloster zu wachen, nur daß das Kloster durch den Raum eilt.
    Früher war Ryan ein Mann der Tat. Noch viel früher wäre er ein Wilder, ein Führer einer Horde gewesen, mit sich sträubendem Haar, gefletschten Zähnen und einer Keule in der Hand.
    Statt dessen war er Spielzeugfabrikant gewesen. Kein freundlicher alter Bauer, der auf einem hübschen kleinen Bauernhof Puppen schnitzte, sondern Inhaber einer Firma, die pro Jahr einen Millionengewinn erbrachte und kleine Wunder an Raketenspielzeug, sprechende, lebensgroße Puppen und Spielzeugautos mit allen technischen Raffinessen herstellte; also all jene Dinge, die sprangen, herumrasten und Krach machten und kaputtgingen, sobald ihre vorgeplante Lebensdauer zuende war.
    Ryan ließ sich über den internen Bürokommunikator mit dem Büro seines Managers Owen Powell verbinden.
    Auf dem Bildschirm sah Ryan seinen Manager, der auf dem Fußboden des Büros kniete. Er hörte, wie er sich mit einigen Puppen unterhielt, und hörte die Puppen antworten.
    »Das ist wohl die personalisierte Puppe, von der du mir erzählt hast?« fragte Ryan.
    »Genau.« Powell stand auf.
    »Ich wußte, daß sie es schaffen würden. Sind sie nicht hübsch?«
    »Die kindliche Stimme wird ihr erst im Laden eingesetzt. Danach kann sie 25 beliebige, ihr einprogrammierte Fragen be-anworten – aber nur dem Kind, dem Sie gehört. Stellen Sie sich vor: eine Puppe, die offensichtlich intelligent antworten kann, aber nur dem jeweiligen Besitzer. Die Kinder werden darauf fliegen.«
    »Wenn der Preis stimmt«, sagte Ryan.
    Powell war ein Enthusiast, jemand, der tatsächlich glücklich gewesen

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