Der schwarze Krieger
Generäle, Alatheus und Saphrax, befehligten unsere müden und ausgelaugten Reiter und Speerkämpfer, und entgegen jeder Erwartung wurde Rom an diesem Tag vernichtet. Gewiss hat Christus damals auf unserer Seite gekämpft. Euer Kaiser, Valens höchstpersönlich, wurde auf dem Schlachtfeld getötet, und die Vollblüte des römischen Heers wurde von unserer armseligen barbarischen Kavallerie zerschlagen, die alle nur verachteten. Und ich glaube nicht, dass die Legionen Roms sich seit jenem Tag erholt haben.»
Aëtius beugte sich plötzlich vor. «Schließe dich uns jetzt an», sagte er mit tiefer Dringlichkeit in der Stimme. «Rom braucht dich jetzt, die zivilisierte Welt braucht dich. Was auch immer geschehen ist, die Christenheit braucht dich jetzt, das letzte Königreich im Westen, dich und deine Wolfskrieger in ihren roten Umhängen mit ihren langen aschgrauen Speeren. Wen willst du lieber über die Welt triumphieren sehen, Attilas Hunnen oder Rom, das christliche Rom?»
«Im Augenblick weder – noch», knurrte Theoderich. «Die Goten sollen für sich bleiben.»
So eine Antwort wollte Aëtius nicht hören. Er fasste das Handgelenk des Königs mit stählernem Griff, die grauen Augen plötzlich von jener Leidenschaft entzündet, die wie eine schwache, unauslöschliche Flamme tief unter seinem kühlen, distanzierten und förmlichen Äußeren brannte. Nun aber kam sie wie die Äquatorsonne, die durch die Wolken bricht, lodernd zum Vorschein.
«Herr», sagte er mit Nachdruck, «ich schmeichle dir nicht, das weißt du. Aber dies wird kein gewöhnliches Scharmützel zwischen Römern und Barbaren werden, das spüre ich in meinem Herzen. Denn ich kenne diesen Attila. Er ist der Junge, mit dem ich im Lager der Hunnen gekämpft und gespielt habe, als ich vor langer Zeit Geisel war.»
«Ah, ich erinnere mich. Ihr habt gemeinsam einen riesigen Eber gefangen.» Theoderich dachte nach. «Das ist sonderbar. Und nun führt dieser Jugendfreund von dir ein feindliches Heer an eure Grenzen.»
«Mehr noch», sagte Aëtius. «Ich kannte ihn gut. Ich kenne ihn noch immer. Dreißig Jahre Exil, und jetzt ist er zurückgekehrt. Ich weiß, wie er Rom hasst und von dessen Zerstörung träumt.»
Theoderich schüttelte den Kopf. «Das ist schlimm und sonderbar, wie eine alte Ballade.»
Mit einem Schulterzucken tat Aëtius Theoderichs Gedanken ungeduldig ab. «Dies ist nicht einfach ein Kapitel in der langen Geschichte Roms. Dies ist der Abschluss. Siehst du das nicht? Von diesem Kampf, diesem Krieg hängt das Überleben der christlichen Zivilisation ab. Ich sage die Wahrheit. Hiervon hängt das Fortbestehen unserer Institutionen und unseres Imperiums ab. Der Feind wird seine Macht und seinegeballte Wut schon sehr bald gegen uns wenden. Und wenn wir versagen, wird die ganze Welt, zusammen mit deinem Königreich, zusammen mit allem, was wir kennen und wofür wir Sorge tragen, in den Abgrund eines neuen dunklen Zeitalters hinabsinken.»
Theoderich lächelte. «Du bist ein guter Redner, kein Zweifel, und ich weiß, dass du den Männern ein guter Befehlshaber bist. Aber nein, ich werde mein junges Volk nicht opfern, um das alte Rom zu retten. Trotzdem wünsche ich dir alles Gute. Ich lasse meine Priester in der Kathedrale für dich beten, und dieser schmeichlerische Bischof Sidonius wird eine Messe halten. Und wenn entweder Rom oder die Hunnen triumphieren müssen, dann bete ich, dass es Rom sein wird, dessen kannst du dir sicher sein.»
In all seiner ungestümen Großherzigkeit packte er nun Aëtius’ Hand mit seiner eigenen großen Pranke. Dieser Römer, sein Feind. «Mein Bruder», sagte er mit bewegter Stimme, «eines Tages vielleicht, wenn wir schon nicht mit dir reiten, wirst du mit uns reiten.»
«Darauf werden wir lange warten müssen, Bruder. Du weißt, ich bin ein Römer.»
«Ich weiß. Du Narr.»
In diesem Augenblick trat eine fast vergessene Gestalt aus dem Schatten unter dem Säulengang hervor. Es war erneut der junge Torismond.
«Herr», unterbrach er mit vor Aufregung abgehackter Stimme. «Vater.»
Der König drehte sich um.
«Entsende mich. Sende Theoderich, deinen ältesten Sohn, und mich mit einer Schar Männer. Lass uns mit General Aëtius gegen die Hunnen reiten.»
Theoderich schnaubte. «Da kann ich ja gleich Welpen gegenWisente in die Schlacht ziehen lassen. Mach dich davon, Bursche.»
«Vater, ich flehe dich an …»
Theoderichs Wutausbruch ließ selbst Aëtius zurückweichen.
Torismond entfernte
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