Der schwarze Krieger
folgten einer schmalen Rinne mit unheilvollen, hohen Schieferwänden, dunkel und vom Wasser glänzend. Dahinter gelangten sie in ein ausgedehntes, flaches Tal – mit dem Fluss, an dessen Rand sich das größte Lager befand, das sie je gesehen hatten.
Sie warteten bis kurz vor Einbruch der Dunkelheit, als die Wintersonne fast schon den dunklen Rand der Erde berührte und ihr blutrotes Licht den Horizont entlangfloss. Sie knebelten ihre Pferde mit dicken Tauen, die sie ihnen um die Schnauze banden und womit sie ihnen die Mäuler stopften; die Pferde warfen die Köpfe zurück und blähten wütend die Nüstern, aber in gnädiger Stille. Dann trabten sie schräg über die Ebene, wendeten in der Nähe des Lagers und hielten unter dem Überhang einer niedrigen Anhöhe, welche der Fluss vor Urzeiten aus dem Tal herausgewaschen hatte.
Sie saßen ab und krochen die Anhöhe hinauf.
Das Lager war einige drei- oder vierhundert Schritt weit entfernt und musste an die tausend Zelte oder mehr zählen. Es war windstill geworden, sie konnten entfernte Rufe und die wiehernden Pferde hören. Zwischen den Zelten liefen Männer umher, es flackerten Lagerfeuer, Kinder rannten hin und her, Frauen kochten oder stillten Säuglinge. Einige Frauen brachten Wasser in großen Krügen, die sie auf Jochen über den Schultern trugen, vom Fluss zurück. Von den Speerständern an den Ecken des Lagers hingen schwarze, lederne Faustschilde herab. Außerhalb, bereits von Dunkelheit eingehüllt, befand sich ein Pferch mit vielen Tausenden von Pferden.
Ein einzelner Stern schien am Himmel, ein einziger wandernder Planet direkt über dem weitläufigen Lager. Merkur in seinem stillen Lauf. Ein Stück flussabwärts gab es ein Gewirbel aus schwarzen und weißen Silhouetten, einige Kiebitze, die über dem Flussufer aufstiegen.
Und dann war da ein weiteres Flügelschlagen in der Nähe. Yesukai war in einen Rebhuhnschwarm gekrochen, und schließlich waren sie – so unwillig, ihre warmen Nester zu verlassen wie ein Hase seinen Bau – doch davongeflogen. Ihre Flügel schwirrten in der Luft, während sie den Kamm entlang in Sicherheit flogen. Yesukai hatte jedoch noch rasch einen Pfeil angelegt, war zur Seite gerollt und hatte den Pfeil abgeschossen. Orestes zischte dem jungen Krieger verärgert zu. Zu spät. Yesukai hatte das Handwerk des Schießens gut erlernt, und sein Pfeil traf ins Ziel. Das sterbende Rebhuhn stürzte vom Himmel. Das helle Weiß seiner Kehle und Flügelunterseite fing die letzten Strahlen der im Westen schwindenden Sonne funkelnd ein.
Yesukai grinste.
Orestes blickte hinab ins Lager.
Attila beobachtete es bereits.
An der äußeren Seite des Lagers blickte ein einzelner Krieger zu ihnen herauf.
Sie konnten sein Gesicht in der Abenddämmerung auf die Entfernung nicht sehen, aber er war von stämmigem Körperbau und in dunkle Farben gekleidet. Unentschlossen machte er einige Schritte in ihre Richtung und kniff die Augen zusammen. Er hatte die Rebhühner davonfliegen hören und sich rechtzeitig umgedreht, um eines von ihnen aufleuchtend vom Himmel stürzen zu sehen. Kurz hinter dem Lager hielt er an, starrte eine Weile in ihre Richtung, dann drehte er sich um und ging zurück.
Orestes seufzte, senkte den Kopf und wiegte ihn in seinen Händen.
Attila blieb weiter wachsam.
Der Krieger verschwand hinter einem weitläufigen, niedrigen Zelt, um nur einige Momente später mit einem Pferd wieder aufzutauchen.
Attila sah Orestes an.
Orestes sah Attila an.
Beide Männer schauten auf Yesukai.
«Du hast Aalscheiße im Hirn», schimpfte Orestes.
«Was?», fragte Yesukai überrascht. «Was?» Schon begann er den Hang hinaufzurobben, um zu sehen, was die beiden sahen.
« Bleib – unten »
, zischte Attila über seine Schulter in einem derart wütenden Tonfall, dass Yesukai auch tatsächlich unten blieb.
Attila wandte sich wieder um.
Der Krieger hatte aufgesessen und trabte zielgerichtet auf sie zu. Als er näher kam, sahen sie, dass er schwarze Verschlüsse und Stiefel aus Leder trug und eine schwarze lederne,nur lose zugeknotete Jacke, die seine dicken, kräftigen Arme zeigte. In seiner rechten Hand hielt er waagerecht einen Speer, die Zügel straff in der Linken. Sein langes, glattes Haar zeichnete sich rabenschwarz gegen das letzte Sonnenlicht ab. Sein breites Gesicht mit den hohen Wangenknochen war glatt rasiert, bis auf einen dünnen Schnurrbart, der lang und fein gekämmt herabhing. Seine Augen waren auf die Anhöhe geheftet, auf
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