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Der schwarze Krieger

Der schwarze Krieger

Titel: Der schwarze Krieger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Napier
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dann zurückgekehrt, um hier Zuflucht zu suchen. Sie hatten ein nächtliches Freudenfest abgehalten, doch jetzt im kalten Tageslicht begannen sie wieder, sich Fragen zu stellen. Und Zweifel kamen auf. Er war ein Wahnsinniger, mit diesem hämischen Lächeln, diesem bitteren Lachen. Er liebte Widrigkeiten. Wie ein Schamane, der rückwärtsspricht, rückwärts auf seinem Pferd reitet, der weint, wenn andere Menschen lachen, und lacht, wenn sie weinen.
    Dennoch brachte etwas sie dazu, diesem irrwitzigen Wahnsinnigen zu vertrauen.
    Er trug den Dorfleuten auch auf, so viel Vieh wie möglich in das Innere der Dornenhecke zu treiben und Frischwasser in allen nur erdenklichen Behältnissen herbeizutragen. Außerdem ließ er sie die Holzwände einer Hütte abbauen und die Holzbretter in den Dornenkreis schaffen. Dort mussten sie sie in Form eines provisorischen hölzernen Zelts wieder aufbauen, groß genug, damit die Dorfleute, alle fünfzig oder sechzig von ihnen, auf allen vieren dort hineinkrabbelnkonnten, dicht an dicht wie gepökelte Fische in einem Fass. Ein dürftiger Panzer gegen Feindespfeile, aber er würde ausreichen.
    Dann war alles erledigt, und er nickte befriedigt. Das Dorngestrüpp stand nun mannshoch, teils auch höher.
    «Yesukai», rief er.
    Der ehrgeizige junge Krieger ritt herbei.
    Attila nickte in Richtung des Dorngestrüpps. «Spring drüber.»
    Yesukai klopfte den Nacken seines Pferdes und zögerte. «Herr, es ist zu hoch. Und die Stäbe   …»
    «Dann nimm die Hürde im Galopp.»
    «Aber auf diesen Steinen kann ich nicht galoppieren.»
    Attila nickte und lächelte. «Ganz recht.»
    ***
    Am nächsten Tag gab es ein kärgliches Frühstück. Danach nahm Attila Geukchu und Candac beiseite und redete leise mit ihnen. Dann schickte er sie mit ihren zwanzig Männern, dem gesamten Trupp der einhundert Packpferde und mit allen außer zwanzig Kriegspferden davon. Selbst seine loyalsten Krieger wirkten bestürzt und verbittert. Sie mussten nicht nur Löcher graben wie gemeine Bauern; wie es schien, mussten sie jetzt auch zu Fuß in den Kampf ziehen, weil man sie von ihren geliebten Pferden getrennt hatte. Regungslos beobachteten sie, wie Geukchu und Candac und deren Männer die Pferde weit über das Plateau in Richtung Süden und zuletzt hinter den Horizont trieben, bis sie den Blicken entzogen waren.
    Selbstverständlich behielt Attila sein eigenes Pferd. Er stieg auf seinen geliebten, nicht gerade schönen unermüdlichenSchecken Chagelghan, und die Männer um ihn herum saßen ebenfalls auf. Er und Orestes ritten vorneweg, hinter ihnen Chanat und Yesukai. An dem langen Stecken hing noch immer der erschlagene Kutriguren-Krieger, sie hatten ihn zwischen ihre Pferde gehängt.
    «Wir werden vor dem Mittag zurück sein», rief er seinen Männern und den verängstigten Dorfbewohnern zu. «Genau wie die Budun-Boru!» Und er lachte.
    Sie ritten über das Grasland und durch die unheilvolle Schieferrinne und dann hinaus in die Ebene, direkt auf den Fluss zu. Sie hielten nicht an, obwohl die anderen drei Krieger spürten, dass ihnen flau im Magen wurde, ihre Hände an Zügeln und Bogen schwitzig wurden, sich am Kopf und auf der Unterlippe Schweißperlen bildeten und ihr Herz hitzig und angespannt schlug. Sicher würden sie jetzt sterben, heute. Aber seit Attila ihr Herr war, hatten sie das schon öfter gedacht, und sie lebten immer noch.
    Langsam führten sie die Pferde über die Ebene auf den Fluss und das ausgedehnte Feldlager aus schwarzen Zelten zu. Träge stieg der Rauch in die stille frühmorgendliche Luft über dem Lager auf. Sowohl die Männer als auch die Pferde rochen weitere Männer und Pferde, verbrannten Dung, die Zeichen eines anderen Stammes. Sie erklommen die letzte Anhöhe, wo Yesukai die Rebhühner aufgescheucht hatte. Es war der letztmögliche Ort, der Schutz und Deckung bot. Dann schlichen sie auf den Rand des Lagers zu. Wie Kleinkinder kamen sie sich dabei vor, völlig schutzlos. Sie bemühten sich, ihre Bogen nicht zu fest zu umklammern.
    Ein ritueller Trampelpfad führte den Hang hinunter in das Lager. Sie mieden ihn und ritten daran vorbei. Der Weg war mit Stangen gesäumt, und auf jeder Stange steckte das gepfählte Haupt eines Menschen. Schwarzmilane und Krähenpickten an ihnen herum. Überall fanden sich Totems, Zeichen der Hexerei: an Kreuze genagelte Vögel, Puppen aus Federn und Fell, Holzmasken mit tiefen Augenhöhlen und gaffenden Mündern, die in stummem Entsetzen schrien. Chanat musterte

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