Der schwarze Magier
empfindest so, oder…?« Er ballte die Fäuste zusammen und schlug sie erzürnt auf den Betstuhl. »Verdammt, warum tust du mir das an?«
Es roch nach Leder, Pergament und gewachstem Holz. In den schräg einfallenden Sonnenstrahlen tanzten unzählige Staubpartikel wie Sterne in der Luft. Die Stille im Skriptorium wurde nur durch das Kratzen der Feder auf dem Pergament unterbrochen. Konzentriert zog Rupert die verschnörkelten Linien nach, Buchstabe reihte sich an Buchstabe. Vor ihm auf dem Pult lag ein kostbares Buch aufgeschlagen. Aus diesem kopierte er den Text auf Pergament. Es war ein Text auf Lateinisch. Bruder Gregorius, der Leiter des Skriptoriums und der Bibliothek, blickte über Ruperts Schulter und zeigte auf eine Stelle des Textes. »Den Anstrich musst du weicher setzen, damit die Linie sich erst allmählich verdickt. Wenn du die Feder zu stark aufdrückst, fehlt dem Strich die Eleganz. Versuch es noch einmal.«
Rupert spitzte die Feder mit einem feinen Messer an und rieb die Spitze dann in dem Keramikschälchen, das die Tinte enthielt. Auf dem Tisch lagen kunstvoll verzierte Schreibgriffel, kleine Wachstäfelchen, daneben Schälchen zum Mischen der Tinte und der Farben zum Kolorieren der Zeichnungen. In den hohen Regalen an den Wänden reihten sich die Bücher, die meisten in Leder gebunden, manche mit Goldschlösser versiegelt. An den anderen Schreibpulten saßen Mönche, die entweder Texte kopierten, Textseiten mit Ornamenten und Zeichnungen verzierten oder alte Bücher übersetzten.
Es gab neben lateinischen Werken auch solche in Hebräisch und Griechisch. Sehnsuchtsvoll ließ Rupert seinen Blick darüber wandern, bis er sich wieder seiner Tätigkeit zuwandte. Es war doch nicht so einfach, eine kunstvoll gestaltete Textseite zu schreiben. Seine schwertgewohnte Hand war einfach noch zu schwer. Doch er übte unermüdlich.
Es blieb Rupert ein Rätsel, wie der schnelle Sinneswandel des Abtes zustande kam, als er eines Morgens nach der Prim bei der üblichen Arbeitseinteilung verlauten ließ, dass Bruder Rupertus sich in das Skriptorium zu begeben habe. Dort wurde er von Bruder Gregorius empfangen und herumgeführt. Gregorius war einer der gemäßigten Brüder des Klosters, der wirklich seine Liebe den Büchern widmete. Er betrachtete jedes einzelne Werk als große Kostbarkeit und allmählich begriff Rupert, wie viel Mühe es machte, diese wunderschönen Bände zu gestalten. Neben dem Skriptorium gab es eine kleine Werkstatt, in der Bücher gebunden, ältere Exemplare auch sorgsam restauriert wurden.
»Du hattest bereits Unterricht in lateinischer Schrift?«, fragte Bruder Gregorius.
Rupert nickte. »Ja, meine Brüder und ich wurden unterrichtet im Schreiben und Lesen der Heiligen Schrift. Unser Magister besaß aber auch zwei Werke von antiken Autoren. Leider konnte ich sie nicht lesen. Ich würde gern besser Latein verstehen, nicht nur abschreiben.«
»Dann übersetze nachher den Text, den du jetzt kopierst, auf dieses minderwertige Pergament. Ich prüfe danach deine Übersetzung und weise dich auf die Fehler hin.«
»Danke, Bruder Gregorius.«
Rupert spürte einen langen Blick, der von Eusebius kam. Der Mönch saß an einem anderen Schreibpult, doch seine Augen wanderten wieder und wieder zu Rupert. Er versuchte, diese Blicke zu ignorieren, doch er konnte es nicht.
Nur zu deutlich hatte Eusebius ihm zu verstehen gegeben, dass er von Rupert eine Leistung verlangte, einen Gefallen, wie er sich ausdrückte. Doch bislang konnte Rupert den aufdringlichen Mönch auf Distanz halten, indem er nirgendwo allein blieb. Stets versuchte er, mit mindestens einem weiteren Mönch im Raum zu sein, selbst auf die Latrine ging er nur noch in Begleitung.
»Nimm dich vor Eusebius in Acht«, hatte Luke ihn gewarnt. »Er hat ein Auge auf dich geworfen.«
»Was will er von mir? Er sprach von einem Gefallen.«
»Na, was wohl, dem geilen Bock platzen die Lenden. Er hat es auf dich abgesehen.«
»Auf mich?« Rupert starrte Luke entsetzt an. »Aber ich bin doch ein Junge!«
»Eben!« Luke grinste. »Er hofft, dass du noch unbehaart bist. Darauf sind sie ganz wild.«
»Sie? Wer?«
Luke pustete die Luft aus und verdrehte die Augen überlegend. »Eusebius, Hieronymus, Bartholomäus, Patrizius…«
»Aber… ich verstehe das nicht. Sie gehen doch zu den Heiligen Jungfrauen. Was wollen sie dann mit Knaben?«
»Ach, wo hast du denn bisher gelebt?«, seufzte Luke und schob ihn in eine Nische des Wandelganges, wo
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