Der schwarze Magier
»Ein gewisser Roger von Argenton. Er war mit einer Nichte Friedrichs verheiratet und den Franken treu ergeben. Aber als er mich entdeckte, kam wohl sein normannisches Blut wieder zum Vorschein. Er fiel vor mir auf die Knie und verhalf mir zur Flucht. Ihr seht also, welche Ehre die Normannen noch in ihrer Brust tragen. Dabei sollte er für meine Ergreifung die Hälfte der Stadt bekommen! Ich machte mich in Begleitung von Wilhelm L’Etange und eines deutsch sprechenden Knappen sogleich auf den Weg. Auch dank des ausgezeichneten Pferdes, das mir der treue Roger gab, ritten wir drei Tage hintereinander, bis wir vor Erschöpfung fast aus dem Sattel fielen. An der Donau rasteten wir, nicht ahnend, dass sich ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt Herzog Leopold in Wien aufhielt. Mein kleiner Knappe kaufte ein paar Lebensmittel, aber da wir nur byzantinische Münzen hatten, gab es ein großes Aufsehen.« Er schnaufte verächtlich. »Und dann entdeckten sie meine Handschuhe am Gürtel des Knappen, darauf meine goldenen Löwen. Ich habe mich Leopold sofort ergeben, bevor sie dem Kleinen noch etwas antaten.«
»Das war sehr großherzig von Euch, Sire«, hauchte Gwendolyn gerührt. Rupert rollte genervt mit den Augen. Seine kleine Kriegerin wollte doch nicht etwa sentimental werden!
Richard nickte wie zur Bestätigung. »Was konnte der Knappe dafür in seiner Einfalt? Doch von Leopold hätte ich etwas mehr Christlichkeit erwartet. Was für ein hirnloser Abkömmling eines barbarischen Volkes ist dieser Herzog eigentlich? Wäre ich tatsächlich in Sultan Saladins Hände gefallen, hätte er mich sicher mit einer meiner Person als König gebührenden Freundlichkeit und Gerechtigkeit behandelt. Aber jenem Höllenfürst Leopold schien nichts heilig zu sein. Er ließ mich auf die Festung Dürnstein bringen. Später durfte ich sogar eine Schiffsreise unternehmen, von einem Gefängnis zum anderen. Und so gelangte ich auf Trifels.« Richard schüttelte sich in Erinnerung an die Kerkerhaft. »Ich wurde zwar nicht in Eisen gelegt, aber es war eine elende Unterkunft. Die Menschen in diesem Königreich sind nämlich wie Tiere und garstig gekleidet, sie haben scheußliche Tischmanieren und eine widerwärtige Sprache.« Er nahm einen tiefen Schluck und schmatzte genießerisch.
»Und wie ging es weiter?«, fragte Lady Gwendolyn mit vor Aufregung glühenden Wangen.
Richard hob mit theatralischer Geste die Hände. »Keiner meiner Lieben und Getreuen wusste, wo ich war. Mal hier, mal dort, verschleppt von einem feuchten Kerker zum anderen. Und wisst Ihr, wer mich fand?«
»Einer Eurer treuen Ritter?« Gwendolyn hopste auf der Stuhlkante herum.
»Irrtum, Mylady, es war jener Troubadour, der Euch vorhin ein Ständchen brachte.«
»Ein Troubadour?«, fragte sie verblüfft.
»Ja, es war Blondel. Vor längerer Zeit hatten wir einmal gemeinsam ein hübsches Liedchen verfasst. Und dieser treue Troubadour zog nun von Burg zu Burg, hörte sich um und ließ eben jenes Lied erklingen. Ihr könnt Euch gar nicht vorstellen, welche Freude plötzlich in mein Herz strömte, als ich dieses, mein Lied vernahm. Und da wusste ich, die Rettung ist nahe! In meinem Kerker sang ich lauthals die Melodie, dass sie der gute Blondel noch am Fuße der Burg hören konnte. Und, bei Gott, er hat sie gehört!«
Gwendolyn klatschte aufgeregt in die Hände. »Wie romantisch!« Ihre Augen glitzerten verräterisch.
Rupert pustete die Luft aus und wandte sich ab. »Mein Gott, Gwen, reiß dich zusammen!«, knurrte er ungehalten.
Gwendolyn schien ihn nicht zu hören. Ihr schmachtender Blick war auf den König gerichtet, der mit einem neuen Becher Wein seinen vom Erzählen trockenen Gaumen anfeuchtete. »Nun wusste man, wo ich mich befand«, erzählte Richard weiter. »Die tapfersten Teutonen bewachten mich bei Tag und Nacht, aber sie waren trotz allem jämmerliche Gestalten, mit denen ich Speis und Trank teilte und sie damit beschämte. Und dieser deutsche Kaiser brachte all diese Verleumdungen gegen mich vor, von denen er nicht eine aufrechterhalten konnte. Er mochte mich nicht, weil ich ihm seine Pläne in Sizilien etwas durchkreuzt hatte. Aber ist das ein Grund, sich derart aufzuführen?« Richard geriet wieder in Erregung. »Dass ich Tankred von Sizilien unterstützt habe und den albernen Kaiser von Zypern gefangen genommen, dass ich für den Tod Montferrats verantwortlich sei und Herzog Leopolds Standarte geschändet hätte. All solches Zeug, das er nur aus Einflüsterungen
Weitere Kostenlose Bücher