Der schwarze Magier
Christentum noch die Religion der Verfolgten war, huldigte man den Frauen und schämte sich nicht, ihre schönen Körper zu begehren und zu lieben. Später sagte man, dass eine Frau mit einem sinnlichen Körper gleich der Unvollkommenheit und Sünde sei.
Nur der Mann strebe zu Gott mit seiner Geistseele. Doch gerade die Frau ist die Verkörperung des Göttlichen, so schön, so geheimnisvoll, so anbetungswürdig…«
Rupert hatte sich zurückgelehnt und sein Blick schweifte in das undurchdringliche Geäst der Baumkrone über ihm. Er sah eine schöne, schwarzhaarige Frau mit grünen Augen und einem sinnlichen Körper, der er sich zu Füßen warf, die er anbetete – und die er mit Körper und Seele liebte.
»Es ist der verhängnisvolle Irrtum der Christen, der die Frau ihrer Göttlichkeit beraubt hat«, erwiderte er leise.
»Und was ist mit dem Mann? Warum ist es dann auch Sünde, einen Mann zu begehren?«
Rupert schüttelte leise den Kopf. »Nicht das Objekt des Begehrens, sondern die Begierde selbst ist die Sünde. So sagt man jedenfalls.«
Richard schlug die Augen nieder und presste seine Hand auf seine Brust. »Warum fühlt mein Herz dann aber anders?« Es lag Verzweiflung in seinem Blick, als er zu Rupert aufblickte. »Damals, als wir durch Italien ritten auf unserem Weg ins Heilige… nein, ins unselige Land, da liebte ich dich bereits wegen der Schärfe deines Verstandes, der Kühnheit deines Geistes, der Freiheit deines Willens und der Schwärze deiner Seele.« Er kicherte. »Und dann, eines Tages, beobachtete ich dich, wie du in einem Fluss gebadet hast, splitternackt. Du hast einen wunderschönen Körper, schlank, makellos, ebenmäßig. Von diesem Augenblick an habe ich dich begehrt. Ich hatte immer gehofft, dass du mich verstehst, mein Fühlen, mein… Begehren. Nie hast du nach Frauen geschaut, aber ich habe dich auch nie mit Knaben gesehen. Manchmal glaubte ich schon, du kennst diese Gefühle gar nicht. Aber du bist ein Mensch, kein Satan, kein Gott, kein Dämon.« Richard seufzte leise auf.
Rupert hatte den Arm um seine Schultern gelegt und Richard ließ seinen Kopf an Ruperts Schulter sinken. Gemeinsam starrten sie über die kahlen Felder.
»Ich habe gute Männer um mich geschart. Sie gehören zu den besten, die das Land hervorgebracht hat. Sie sind tapfer, treu, loyal. Und du gehörst dazu, auch wenn du es vielleicht nicht so empfindest. Ich wusste immer, egal, was du tust, egal, wo du bist, du würdest mir niemals schaden, auch wenn du vieles nicht gebilligt hast, was ich tat.« Er lächelte versonnen. »Männer, immer waren Männer um mich herum. Ist dir aufgefallen, dass die meisten der Templer ausgesprochen gut aussehende Männer sind?«
»Und die Frauen in Poitiers?«
»Ja, es gab auch viele Frauen. Doch alle verglich ich mit meiner Mutter. Und keine konnte ihr das Wasser reichen.«
»Königin Eleonore ist eine bemerkenswerte Frau. Und sehr schön.«
Der König nickte. »Für mich gibt es nur diese eine Frau. Sie ist meine Göttin.«
Er hob den Kopf und blickte Rupert von der Seite an. »Wer war deine Göttin? Deine Mutter?«
Rupert schüttelte den Kopf. »Nein, meine Mutter war zwar gütig, aber schwach. Sie wollte mich loswerden, weil ich nicht so war, wie es die Familie sich wünschte.« Er warf Richard einen kurzen Blick zu und verzog geringschätzig die Lippen. »Ich taugte nicht zum Ritter.«
Richard lächelte verstehend und lehnte seinen Kopf wieder an Ruperts Schulter.
»Sie schickte mich in ein Kloster. Für mich war es Himmel und Hölle zugleich. Ich lernte Lesen und Schreiben, Latein und Hebräisch. Ich wünschte mir, ein Gelehrter zu werden.«
»Du bist es geworden«, warf Richard ein.
»Aber nicht im Kloster. Die interessanten Bücher standen auf dem Index.«
Richard grinste. »Wie alles, was reizvoll ist. Die Schwarzkittel verbieten es.«
»Sie vergriffen sich an den Novizen. Und sie besuchten das Haus der Heiligen Jungfrauen, ein Nonnenkloster, einige Meilen davon entfernt. Ich lernte, wie Begierde zwischen Männern und zwischen Männern und Frauen praktiziert wurde.«
»Welch eine heilige Schule!«, rief Richard amüsiert.
»Ich ekelte mich vor meinem Körper.«
»Wer war deine Göttin?«
Rupert atmete tief durch. »Eine Kräuterfrau im Wald.«
»Eine Hexe?« Richard richtete sich mit einem Ruck auf. Rupert zog ihn wieder in seinen Arm.
»Nein, eine wunderbare, sehr weise und kluge Frau. Sie hat mich zum Mann gemacht. Und sie war schön. Ich habe nie wieder
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