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Der Schwarze Mandarin

Der Schwarze Mandarin

Titel: Der Schwarze Mandarin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Champagner, und die Mädchen, die euch bedienen, tragen ihre langen, engen, an den Seiten bis zur Hüfte geschlitzten chinesischen Kleider und Blumen im Haar und zierliche bestickte Schuhe – ist das China? Wißt ihr, wie eine Bäuerin der Miaos aussieht, ein Kalkbrenner an den dörflichen Kalköfen, ein Steinklopfer am roten Felsen, ein Reisbauer hinter seinem Büffelpflug, ein Fischer in seinem Wohnboot auf den Seen? Habt ihr gesehen, wie man Steine zu Mehl mahlt, um es dem Tofu zuzusetzen? Wart ihr dabei, wenn bei den Bais das Richtfest eines neuen Hauses gefeiert wird, wo die Alten in schwarzer Kleidung ganz vorne sitzen und zuerst ihr Essen bekommen, weil man das Alter ehren muß, und die Mädchen singen und der Mao Tai aus Wasserflaschen verteilt und süßes Reisgebäck und Schüsseln voller Gemüse, gesottenem Fleisch und dampfendem, körnigem Reis herumgereicht werden? Und die Alten bekommen zur besonderen Verehrung die Fischköpfe, und überall wehen bunte Bänder im Wind, bemalt mit Glückwünschen und Segenssprüchen.
    Das ist China, und nur ein winziger Teil von ihm. Um China wirklich zu kennen, braucht man ein ganzes Leben. Du aber bist herumgefahren worden zur ›Verbotenen Stadt‹, zum Himmelstempel, zum Sommergarten, hast in Shanghai auf dem Bund, der Prachtstraße, gestanden und das Kaufhaus Nr. 1 besichtigt, in Kanton hast du im ›Weißen Schwan‹ gewohnt und bist bei Huilin über den Li-Fluß gerudert worden … und dann stehst du jetzt hier und sagst: Wenn man über China sprechen will …
    Mein Gott, was seid ihr alle für Trottel!
    Er ging zurück in das Clubrestaurant, setzte sich auf die Terrasse unter einen Sonnenschirm und bestellte ein Pils. Er hatte gerade angetrunken, da klopfte ihm jemand auf die Schulter. Rathenow drehte sich um.
    Dr. Freiburg. Gelbes Hemd, karierte Hose, karierte Sportmütze. Er sah aus wie ein Golfspieler aus dem Modeblatt.
    »Du hast mir gerade noch gefehlt!« sagte Rathenow.
    »Ich gehe gleich wieder. Ich will noch achtzehn Löcher spielen. Aber ich dachte, daß es die Höflichkeit befiehlt, einen alten Freund zu begrüßen.«
    »Guten Tag – und auf Wiedersehen.«
    »Bleibst du länger?«
    »Ich bin doch kein Masochist! Erst Dr. Bloch, dann du – das reicht mir! Ich flüchte.«
    »Wir kennen dich nicht wieder. Früher hast du leidenschaftlich gern Golf gespielt …«
    »Hau ab!«
    »Ist ja schon gut.« Dr. Freiburg entfernte sich.
    Rathenow stand auf und ging langsam zu seinem Wagen. Er hat recht, dachte er. Ich habe mich verändert, total verändert. Ich sehe die Hohlheit um mich herum und erschrecke plötzlich. Dabei war sie immer da. Und ich war mittendrin in dieser Jet-set-Gesellschaft, der eine neue Schmuck-Kreation wichtiger ist als das Verhungern von Zehntausenden von Kindern im Sudan. Ich habe einmal mit dem Fabrikanten Hellermayer darüber gesprochen. Seine Antwort: Ich habe kein Mitleid. Die sollen arbeiten wie wir, dann hungern sie nicht. Wer faul ist, muß eben am Daumen lutschen. Es war an einem Abend gewesen, an dem Hellermayer ein Champagner-Buffet in seiner Villa am Tegernsee gab.
    Nein, ich gehöre nicht mehr zu ihnen! Und ich kann es ihnen auch nicht erklären. Sie würden mich nicht verstehen. Sie würden tuscheln: Der Rathenow beginnt sehr früh, senil zu werden. Schade um ihn. Eigentlich war er ja immer ein merkwürdiger Mensch, dem Bücher mehr bedeuteten als ein Cocktail-Abend. Bücher …
    Er fuhr zurück nach Grünwald, setzte sich in den Garten, bis die Dämmerung kam und es kühler wurde, entschloß sich, sich etwas zu essen zu machen. Es machte ihm Spaß, in der Küche herumzuwirtschaften. Und plötzlich fragte er sich: Ob Liyun auch kochen kann? Sicherlich Reis und Tee, aber darüber hinaus? Sie hat es ja nie gebraucht.
    Gegen 22 Uhr rief Dr. Freiburg wieder an. Rathenow schnaufte ins Telefon.
    »Was willst du schon wieder?«
    »Ich habe die Geschwister Gregorius eingeladen. Du weißt, die beiden Blondchen aus dem Golfclub. Vater Immobilienhai, kauft gerade bei Fürstenfeldbruck Bauerwartungsland. Wird ein Bombengeschäft. Der Alte hat einen Wink aus dem Rathaus bekommen, daß dieses Brachland zum Industriegebiet erklärt werden soll. Da jubeln die Millionen.«
    »Was hat das mit mir zu tun?«
    »Renate und Sylvia, die Töchterchen, habe ich für heute abend abgeschleppt. Kommst du rüber?«
    »Nein! Laß mich in Ruhe.« Rathenow widerte Freiburgs Sexualprotzerei plötzlich an. »Ich setze mich in kein Auto mehr.«
    Rathenow legte

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