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Der Schwarze Mandarin

Der Schwarze Mandarin

Titel: Der Schwarze Mandarin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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der langen Biergartentische, klemmte sich auf den wackeligen Stuhl und bestellte eine Maß Bier. An seinem Tisch saßen mehrere Leute, die offenbar zusammengehörten. Vier Frauen mittleren Alters tratschten über eine fünfte. Die Männer unterhielten sich über den FC Bayern München.
    Die Runde schwieg plötzlich, als ein junger Mann in den Biergarten kam und sich suchend nach zwei Plätzen umblickte. Er hatte eine hübsche junge Asiatin neben sich, in einem tief ausgeschnittenen, kurzen Sommerkleidchen. Ihre Haare waren modisch kurz geschnitten.
    »Seht euch das an!« sagte plötzlich eine der Frauen. »Der fallen ja die Titten aus dem Kleid, wenn die sich bückt.«
    »Und dann so ein netter Junge«, zischelte die zweite. »Muß der sich so 'ne Gelbe nehmen? Haben wir in München nicht genug schöne Mädchen?«
    »Den reizen ja nur die Schlitzaugen und wer weiß, was sonst noch!«
    »Ja, es wird immer toller mit den fremden Weibern. Neulich hab' ich 'ne Schwarze gesehen, die hing an 'nem Mann wie ein Schlips. Hemmungslos! Ich habe mich direkt geschämt.«
    »Ich sage es ja immer zu Theo: alle raus! Alle Ausländer raus! Wir brauchen sie nicht. Unsere besten Mädels sitzen rum, und so ein gelbes Luder nimmt ihnen die Männer weg. Es müssen ganz andere Gesetze her!«
    »Wenn das so weitergeht, besteht Deutschland in 30 Jahren nur noch aus Mischlingen. Erna, sieh dir das an! Er tätschelt ihr die Hand. Widerlich! Die sollte keiner an seinen Tisch lassen …«
    Rathenow biß die Zähne zusammen und hörte dann den Männern zu. Sie hatten ihr Fußballgespräch beendet und starrten die hübsche kleine Asiatin an.
    »Das wär was zum Nachtisch«, sagte einer leise, »'ne Haxe mit Knödel und dann Juppheida!«
    Brüllendes Gelächter. Die Maßkrüge krachten aneinander.
    Rathenow bezahlte und verließ den Biergarten. Das ist sie, des Volkes Stimme. Ausländer raus! Haltet das Deutschtum rein! Aber Kegelclubs und Gesangvereine fliegen nach Thailand und mieten sich dort für eine Woche eine ›Freundin‹. Für 25 Mark pro Tag. Das ist sehr viel für ein Mädchen aus dem bettelarmen Hinterland. 150 Mark für eine ganze Woche Remmidemmi!
    Rathenow ärgerte sich auf der Fahrt nach Haßlach, daß er geschwiegen hatte. Aber hätte er protestiert, was wäre dabei herausgekommen? Nur ein lautstarker Streit, bei dem er verloren hätte. Acht gegen einen … nein, hundert gegen einen, denn der ganze Biergarten wäre gegen ihn gewesen. Ausländer raus! Wir wollen mit solchen Typen nichts zu tun haben! Wir sind Deutsche, wir sind Bayern! Der Balkan den Balkanesen, Afrika den Schwarzen, Asien den Chinesen. Alle Menschen werden Brüder … dieser Schiller hatte doch Scheiße im Gehirn. Erni, noch a Maß.
    Im Clubhaus von Haßlach trank Rathenow erst eine Tasse Kaffee, ging dann auf den Platz, stellte sich an den Abschlagplatz für Loch eins und sah zu, wie Dr. Bloch, Chefarzt der Chirurgie, die Strecke abzirkelte, sich konzentrierte und dann schlug. Der Golfball senkte sich vier Meter vor der Lochfahne. Dr. Bloch sah sich, Anerkennung heischend, zu Rathenow um.
    »Was sagen Sie zu dem Schlag?«
    »Bravo!« antwortete Rathenow.
    »Sie spielen heute nicht?« Bloch schulterte seinen Schläger wie ein Gewehr. Sein Caddie nahm den Golfsack hoch. Er entfernte sich zum Loch eins und dem günstig liegenden Ball. Bloch würde ihn leicht einputten können. »Sie waren lange nicht auf dem Platz, Herr Rathenow.«
    »Ich war in China.«
    »Oh! Wunderbar! Ein herrliches Land. War vor einem Jahr dort, Peking, Shanghai, Kanton, Guilin mit dem Li-Fluß und den markanten Bergen. Und dann Xian, diese ausgegrabene Tonarmee des Kaisers. Na, den Namen habe ich nicht behalten – ein neues Weltwunder! Da staunt man, was? Diese Hochkultur der Gelben, als unsere Germanen noch auf der Bärenhaut schliefen. Das muß man einfach gesehen haben, wenn man über China sprechen will …«
    Chefarzt Dr. Bloch wanderte seinem Caddie nach, um Loch eins zu putten. Rathenow blieb stehen und blickte ihm mit einem Lächeln in den Mundwinkeln nach. Du Sprücheklopper! Über China sprechen! Was kennst du denn? Das Postkarten-China! Komm in die Dörfer um Lijiang, komm an den Lugu-See – du wirst allen erzählen: nie wieder China! Das Reich der Mitte? Am Arsch der Welt bist du! Es ist ein Leben, das ihr nie verstehen werdet. Ihr wollt die goldenen Tempel sehen, aber nicht in die Augen der Menschen blicken. Ihr sitzt im Speisesaal der Fünf-Sterne-Hotels bei Loirewein und

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