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Der Schwarze Mandarin

Der Schwarze Mandarin

Titel: Der Schwarze Mandarin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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einer bunten Bluse. Rathenow kniff die Lippen zusammen. Sie sind zäh, die Asiatinnen, das weiß man. Sie haben eine Energie, die uns in Staunen versetzt. Kein Stäubchen Müdigkeit klebt an ihr, sie sprüht vor Fröhlichkeit.
    Doch dann begriff er, daß sie aus dem Lift gestiegen war und nicht von draußen ins Hotel kam. Wieso das?
    »Guten Morgen!« rief Liyun, als sie vor ihm stand.
    Rathenow unterbrach sie etwas barsch. »Bevor Sie pflichtgemäß fragen: Haben Sie gut geschlafen? – Nein!«
    »Oh! Warum nicht? Sie waren doch so müde.«
    »War ich das?«
    »Das Tanzen hat Sie angestrengt – ich habe es bemerkt.«
    »Ich bin aus dem Training. Wann habe ich zuletzt getanzt? Ich kann mich nicht erinnern. Aber ich habe mir vorgenommen, wieder mehr für mich zu tun. Ich glaube, ich habe in den letzten Jahren allerhand verpaßt.«
    »Sie waren in so vielen exotischen Ländern.«
    »Immer allein mit meinen Kameras und einem Tonband. Ehrlich, ich habe nichts vermißt – bis gestern abend. Seitdem weiß ich, daß sich einiges ändern muß.« Er blickte über ihren Kopf mit den wieder lang über die Schulter fallenden Haaren hinweg zum Lift. »Sie haben im Hotel geschlafen?«
    Liyun sah ihn an, als verstände sie die Frage nicht. »Ich habe doch hier mein Zimmer«, sagte sie dann.
    »Verzeihung, das hatte ich vergessen.« Rathenow war geistesgegenwärtig genug zu sagen: »Ich dachte, Sie hätten bei – einer Freundin geschlafen. Sie haben doch so viele Freundinnen in Dali. Haben Sie mir selbst erzählt.«
    »Wenn ich als Reiseleiterin unterwegs bin, schlafe ich immer da, wo auch meine Gäste schlafen. Mit Ausnahme von Kunming, da habe ich eine eigene kleine Wohnung. Zusammen mit einer Kollegin«, fügte sie schnell hinzu.
    Rathenow wurde unsicher. Was war die Wahrheit? Liyun war doch in Zhis Wagen gestiegen und mit ihm weggefahren. Er hatte das doch nicht geträumt, und von zwei Flaschen Wein zu dritt ist man auch nicht so betrunken, daß man Halluzinationen hat. Sie ist doch mit ihm weggefahren!
    »Gehen wir frühstücken?« sagte sie, verwundert über seine Haltung und sein Benehmen. »Ying wird gleich mit dem Wagen kommen.«
    Rathenow blickte auf seine Uhr. »Wollen wir nicht warten, bis Hua kommt?«
    »Sie kommt nicht.«
    »Wieso? Sie hat versprochen, daß sie …«
    »Sie kommt um neun Uhr, da sind wir längst weg. Ich habe ihr eine falsche Abfahrtszeit genannt.«
    »Liyun!«
    »Sie kann sehr lästig sein«, sagte sie und wandte sich ab.
    Er ging ihr nach und setzte sich an den kleinen runden Marmortisch, bestellte bei der Kellnerin, einem Bai-Mädchen, ein europäisches Frühstück und eine kleine Flasche Mineralwasser. Selbstverständlich gehörten auch die obligatorischen Dampfbrötchen dazu.
    »Meine Kehle ist wie ausgetrocknet«, sagte er. »Ich habe in der Nacht bestimmt noch einen Liter Tee getrunken.«
    »Deshalb konnten Sie nicht schlafen.«
    »Ja, bestimmt deshalb.«
    O Liyun, wenn du wüßtest …
    Sie bekam ihre morgendliche Nudelsuppe und ein Kännchen grünen Tee. Die Dampfbrötchen rührte sie nicht an.
    »Sie trinken gern grünen Tee?«
    Liyun sah von ihrer Suppenschüssel auf. »Ja, fast immer. Er ist gesund.«
    »Was soll daran gesund sein? Für mich schmeckt er wie grünes Wasser. Nur im Tee-Haus – das war guter Tee.«
    »Das ist auch etwas Besonderes. Die Chinesen in Yunnan bevorzugen den grünen. Er wird sogar als Medizin getrunken bei Magenschmerzen und Kopfweh, Übelkeit und bei Erregungszuständen.«
    »Befinden Sie sich heute morgen in einem Erregungszustand?« fragte er anzüglich. Sie ging nicht darauf ein, löffelte ihre Suppe, als habe sie die Frage nicht gehört. Dann blickte sie auf ihre Armbanduhr, deren Zifferblatt sie nach innen am Handgelenk trug. »In zehn Minuten fahren wir los.«
    »Sie wollen wohl unbedingt vermeiden, daß Hua uns sieht, wenn sie früher kommen sollte.«
    Liyun antwortete wieder nicht, sondern zeigte stumm auf die Tür zum Speisesaal. Dort stand Wen Ying und grinste zu ihnen herüber.
    »Er kann warten!« sagte Rathenow aufsässig.
    »Wir haben bis Lijiang viereinhalb Stunden Fahrt vor uns. Wenn wir noch einige Bai- und Naxi-Dörfer besichtigen, wird es Nachmittag, bis wir in Lijiang sind.« Sie winkte Ying zu. Er nickte und verschwand in der Halle.
    »Sie sind unerbittlich, Liyun!« sagte er.
    »Ich bin für Sie und die Durchführung unserer Reise verantwortlich. Geht etwas schief, muß ich darüber Rechenschaft ablegen. Das gibt in meinen Personalakten

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