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Der Schwarze Mandarin

Der Schwarze Mandarin

Titel: Der Schwarze Mandarin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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einen Minuspunkt.«
    »So streng ist man bei Ihnen?«
    »Der CITS hat den Ruf, zuverlässig zu sein. Gehen wir?«
    »Wie Sie befehlen, Liyun.«
    Sie verließen das Hotel, Rathenows Koffer waren schon zum Auto gebracht worden, Ying saß hinter dem Steuer.
    Neben dem Vogelkäfig stand nun eine kleine Kiste mit einem Riegel und einem geschnitzten Deckel. Liyun zeigte darauf, als sie in den Wagen stiegen.
    »Unser Mittagessen«, sagte sie. »Wir kommen zwar durch die Stadt Jianchuan, aber ich möchte Ihnen nicht zumuten, dort zu essen.«
    »Das verstehe ich nicht.«
    »Ich möchte nicht, daß Sie sich den Magen verderben. Als Europäer …«
    »Moment mal!« Rathenow setzte sich kerzengerade auf und klopfte zur Verstärkung seiner Worte auf die Lehne des Vordersitzes. »Wir wollen ein für allemal eines festhalten: Ich bin nicht als Luxusreisender nach China gekommen, um nur in ausgesuchten Hotels zu wohnen und in Touristenrestaurants zu essen. Ich schlafe auch auf der Erde, wenn es sein muß.«
    »Ich habe den Auftrag, Sie so gut wie möglich zu betreuen. Sie sind ein berühmter Mann.«
    »Liyun, bitte nicht diese Bezeichnung. Sie ist dumm. Verzeihung. Ich bin nicht aus Zucker, weder zerbrechlich noch verweichlicht noch verwöhnt. Ich habe schon andere Abenteuer überlebt. Dies ist dagegen fast schon eine Vergnügungsfahrt.«
    »Sie werden sich wundern.«
    »Das hoffe ich! Darum bin ich ja hier. Was ist in der Kiste?«
    »Kaltes Huhn, Obstsalat, Brot, Eier, eine Ananas, eine Thermosflasche mit Tee, Mineralwasser, Gebäck …«
    »Wie in einem Picknickkorb! Liyun, Sie haben eine völlig falsche Meinung von mir. Was bin ich in Ihren Augen?«
    »Ein berühmter …«
    »Liyun! Vergessen Sie endgültig dieses Wort!«
    »Ich werde mir Mühe geben. Können wir jetzt fahren?«
    »Ja. Schnell. Sonst sieht uns Hua doch noch!«
    Das ärgert sie, dachte er zufrieden. Mit ihrem ›berühmt‹ baut sie einen Schutzwall zwischen sich und mir auf. Die Nacht mit Zhi muß sie ungemein beeindruckt haben. Rathenow, richte dich danach. Keine dämlichen Gedanken mehr.
    Wen Ying startete, hupte und bog in die Straße ein, vorbei an vier Naxi-Frauen, die auf den Bus warteten. Sie trugen lange, dunkelblaue Gewänder und auf dem Rücken eine bestickte, gesteppte Polsterplatte als Schutz vor den schweren Lasten, die sie zu Hause tragen mußten. Wie bei den Mosuos war auch bei den Naxis die Frau das Oberhaupt der Familie, und sie verrichtete auch die schwere körperliche Arbeit.
    In der Hotelhalle stand der kleine Chinese wieder am Telefon und sprach mit Kunming.
    »Sie fahren jetzt ab, Herr Shen«, sagte er ehrfurchtsvoll.
    »Unser Mann in Lijiang ist verständigt.« Shen Jiafu war zufrieden. »Irgendwelche besonderen Vorkommnisse?«
    »Keine. Aber sie scheinen Streit zu haben.«
    »Das ist nicht gut. Aber das kann sich schnell ändern. Du bist ein guter Beobachter. Wir sind zufrieden mit dir.«
    »Ich danke Ihnen, Herr Shen, und verneige mich vor Ihnen.«
    Er tat es wirklich. Eine tiefe Verbeugung am Telefon. Shen Jiafu legte wortlos auf. Für ihn waren die kleinen Zuträger nur Geschmeiß, auf das man leider nicht verzichten konnte. Die Überwachung war das Fundament aller Aktionen. Man muß den Menschen genau kennen, den man für seine Zwecke einspannen will.
    *
    Die Straße nach Lijiang war um diese Zeit staubig wie alle Straßen der Region, uneben, teilweise sogar unbefestigt, einfach festgewalzter Boden, der nie vom Frost aufgebrochen wurde, denn hier gab es keinen Frost, keinen Schnee, kein Eis. Der Winter zeigt sich nur im Kalender. Wieder kamen ihnen Bauernwagen entgegen, gezogen von den kleinen, tuckernden Traktoren; Ochsenkarren und Säcke tragende Esel wurden immer wieder zur Seite gedrängt. Manchmal begegneten ihnen Entenherden und Schweine mit eigenartigen Köpfen und platten Nasen, wie sie Rathenow noch nie gesehen hatte. Anders als in den Städten sah man nur wenige Fahrräder. Die kleinen Dörfer lagen dicht nebeneinander, vom Erhai-See nur durch die Straße getrennt. Am Ufer hockten die Frauen und wuschen die Wäsche. Draußen, auf dem leicht gekräuselten See, trieben die Fischerboote in der Morgensonne, selbstgebaute Kähne, die am Heck eine aus Holz und Stroh gezimmerte Überdachung trugen, unter der die Fischer saßen, Tee und Reis kochten oder schliefen, während die Boote langsam über das Wasser dümpelten. Für manche Fischer war der Kahn ihr einziges Zuhause. Sie lebten nur auf dem Wasser, und Fisch war oft ihre

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