Der schwarze Obelisk. Geschichte einer verspäteten Jugend
haben, das kann sein. Frauen telefonieren gern, besonders, wenn sie viel allein sind. Kaufen Sie ihr doch ein Telefon!»
«Sie ist auch nachts hier!» sagt Watzek.
Wir stehen uns immer noch gegenüber, den Obelisken zwischen uns. «Sie war neulich nachts ein paar Minuten hier, als man den Feldwebel Knopf schwerkrank nach Hause brachte», erwidere ich. «Sonst arbeitet sie doch nachts in der Roten Mühle.»
«Das sagte sie, aber –»
Das Messer hängt herab. Ich nehme das Foto Gerdas auf und trete um den Obelisken zu Watzek heran. «So», sage ich. «Jetzt können Sie auf mich losstechen, soviel Sie wollen. Wir können aber auch miteinander reden. Was wollen Sie? Einen Unbeteiligten erstechen?»
«Das nicht», erwidert Watzek nach einer Pause. «Aber –»
Es stellt sich heraus, daß die Witwe Konersmann ihn aufgeklärt hat. Es schmeichelt mir leicht, daß sie geglaubt hat, nur ich könne im ganzen Hause der Verbrecher sein. «Mann», sage ich zu Watzek. «Wenn Sie wüßten, wonach mir der Kopf steht! Sie würden mich nicht verdächtigen. Und übrigens, vergleichen Sie einmal die Figur. Fällt Ihnen was auf?»
Watzek glotzt auf das Foto von Gerda, auf dem steht:
«Für Ludwig in Liebe von Gerda.» Was soll ihm mit seinem einen Auge schon auffallen? «Ähnlich der Ihrer Frau», sage ich. «Gleiche Größe. Übrigens, hat Ihre Frau vielleicht einen rostroten weiten Mantel, ungefähr wie ein Cape?»
«Klar», erwidert Watzek, wieder gefährlich. «Hat sie. Wieso?»
«Diese Dame hat auch einen. Man kann sie in allen Größen bei Max Klein an der Großen Straße kaufen. Sind gerade jetzt Mode. Na, und die alte Konersmann ist ja halb blind, da haben wir die Lösung.»
Die alte Konersmann hat Sinne wie ein Habicht; aber was glaubt ein Hahnrei nicht alles, wenn er es glauben will. «Sie hat sie verwechselt», sage ich. «Diese Dame hier ist nämlich ein paarmal gekommen, um mich zu besuchen. Und dazu hat sie ja wohl noch das Recht, oder nicht?»
Ich mache es Watzek leicht. Er braucht nur ja oder nein zu antworten. Diesmal braucht er sogar nur zu nicken.
«Gut», sage ich. «Und deshalb wird man nachts fast erstochen.»
Watzek läßt sich mühsam auf die Treppenstufen nieder.
«Kamerad, du hast mir auch schwer zugesetzt. Sieh mich an.»
«Das Auge ist noch da.»
Watzek betastet das trocknende schwarze Blut. «Sie werden bald im Zuchthaus sitzen, wenn Sie so weitermachen», sage ich.
«Was soll ich tun? Es ist meine Natur.»
«Erstechen Sie sich selbst, wenn Sie schon erstechen müssen. Das erspart Ihnen eine Menge Unannehmlichkeiten.»
«Manchmal möchte man das schon! Kamerad, was soll ich machen? Ich bin verrückt nach der Frau. Und sie kann mich nicht ausstehen.»
Ich fühle mich plötzlich gerührt und müde und lasse mich neben Watzek auf der Treppe nieder. «Es ist der Beruf», sagt er verzweifelt. «Sie haßt den Geruch, Kamerad. Aber man riecht doch nach Blut, wenn man dauernd Pferde schlachtet.»
«Haben Sie keinen zweiten Anzug? Einen, den Sie anziehen können, wenn Sie vom Schlachthof weggehen?»
«Das geht schlecht. Die anderen Schlächter würden denken, ich wolle besser sein als sie. Der Geruch geht auch durch.
«Wie ist es mit Baden?»
«Baden?» fragt Watzek. «Wo? Im Städtischen Hallenbad? Das ist doch geschlossen, wenn ich um sechs Uhr früh vom Schlachthof komme.»
«Gibt es keine Duschen auf dem Schlachthof?»
Watzek schüttelt den Kopf. «Nur Schläuche, um den Boden abzuspülen. Um darunter zu gehen, ist es jetzt schon zu herbstlich.»
Ich sehe das ein. Eiskaltes Wasser im November ist kein Vergnügen. Wenn Watzek Karl Brill wäre, hätte er allerdings da keine Sorgen. Karl ist der Mann, der im Winter das Eis des Flusses aufackt und mit seinem Klub darin schwimmt. «Wie ist es mit Toilettenwasser?» frage ich.
«Das kann ich nicht versuchen. Die anderen würden mich für einen schwulen Bruder halten. Sie kennen die Leute vom Schlachthof nicht!»
«Wie wäre es, wenn Sie Ihren Beruf änderten?»
«Ich kann nichts anderes», sagt Watzek trübe.
«Pferdehändler», schlage ich vor. «Das ist so ähnlich.»
Watzek winkt ab. Wir sitzen eine Weile. Was geht mich das an? denke ich. Und wie kann man ihm schon helfen? Lisa liebt die Rote Mühle. Es ist nicht sosehr Georg; es ist der Drang über ihren Pferdeschlächter hinaus. «Sie müssen ein Kavalier
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