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Der schwarze Obelisk. Geschichte einer verspäteten Jugend

Der schwarze Obelisk. Geschichte einer verspäteten Jugend

Titel: Der schwarze Obelisk. Geschichte einer verspäteten Jugend Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Maria Remarque
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werden», sage ich schließlich. «Verdienen Sie gut?»
      «Nicht schlecht.»
      «Dann haben Sie Chancen. Alle zwei Tage ins Stadtbad, und einen neuen Anzug, den Sie nur zu Hause anziehen. Ein paar Hemden, eine oder zwei Krawatten, können Sie das schaffen?»
      Watzek grübelt darüber nach. «Sie meinen, das könnte helfen?»
      Ich denke an meinen Abend unter den prüfenden Augen von Frau Terhoven. «Man fühlt sich besser in einem neuen Anzug», erwidere ich. «Ich habe das selbst erfahren.»
      «Tatsächlich?»
      «Tatsächlich.»
      Watzek sieht mit Interesse auf. «Aber Sie sind doch tadellos in Schale.»
      «Das kommt darauf an. Für Sie. Für andere Leute nicht. Ich habe das gemerkt.»
      «Wirklich? Kürzlich?»
      «Heute», sage ich.
      Watzek reißt das Maul auf. «So was! Da sind wir ja fast wie Brüder. Da staunt man!»
      «Ich habe mal irgendwo gelesen, alle Menschen wären Brüder. Da staunt man noch mehr, wenn man sich die Welt ansieht.»
      «Und wir hätten uns fast erschlagen», sagt Watzek glücklich.
      «Das tun Brüder häufig.»
      Watzek erhebt sich. «Ich gehe morgen baden.» Er tastet nach dem linken Auge. «Eigentlich wollte ich mir ja eine SA-Uniform bestellen. Die sind gerade herausgekommen in München.»
      «Ein flotter, zweireihiger, dunkelgrauer Anzug ist besser. Ihre Uniform hat keine Zukunf.»
      «Vielen Dank», sagt Watzek. «Aber vielleicht schaffe ich beides. Und nimm’s nicht übel, Kamerad, daß ich dich abstechen wollte. Morgen schicke ich dir dafür auch eine schöne Portion erstklassiger Pferdewurst.»

    XXIV

    «Der Hahnrei», sagt Georg, «gleicht einem eßbaren Haustier, sagen wir, einem Huhn oder einem Kaninchen. Man verspeist es mit Genuß, solange man es nicht persönlich kennt. Wächst man aber damit auf, spielt mit ihm, hegt und pflegt es – dann kann nur ein Rohling sich einen Braten daraus machen. Man soll Hahnreis deshalb niemals kennen.»
      Ich deute wortlos auf den Tisch. Dort liegt zwischen den Steinproben eine dicke rote Wurst – Pferdewurst, ein Geschenk Watzeks, der sie morgens für mich hinterlassen hat. «Ißt du sie?» fragte Georg.
      «Selbstverständlich esse ich sie. Ich habe schon schlechteres Pferdefleisch in Frankreich gegessen. Aber weiche nicht aus! Dort liegt die Spende Watzeks. Ich bin in einem Dilemma.»
      «Nur durch deine Lust an dramatischen Situationen.»
      «Gut», sage ich. «Ich gebe das zu. Immerhin habe ich dir das Leben gerettet. Die alte Konersmann wird weiter aufpassen. Ist dir die Sache das wert?»
      Georg holt sich eine Brasil aus dem Schrank. «Watzek hält dich jetzt für seinen Bruder», erwidert er. «Ist das dein Gewissenskonflikt?»
      «Nein. Er ist außerdem noch Nazi – das löscht die einseitige Bruderschaf wieder aus. Aber bleiben wir einmal dabei.»
      «Watzek ist auch mein Bruder», erklärt Georg und bläst den weißen Rauch der Brasil in das Gesicht einer heiligen Katharina aus bemaltem Gips. «Lisa betrügt mich nämlich ebenso wie ihn.»
      «Erfindest du das jetzt?» frage ich überrascht.
      «Nicht im geringsten. Woher soll sie sonst all ihre Kleider haben? Watzek, als Ehemann, macht sich darüber keine Gedanken, wohl aber ich.»
    «Du?»
      «Sie hat es mir selbst gestanden, ohne daß ich sie gefragt habe. Sie erklärte, sie wollte nicht, daß irgendein Betrug zwischen uns bestehe. Sie meinte das ehrlich – nicht witzig.»
      «Und du? Du betrügst sie mit den Fabelfiguren deiner Phantasie und deiner Magazine.»
      «Selbstverständlich. Was heißt überhaupt betrügen? Das Wort wird immer nur von denen gebraucht, denen es gerade passiert. Seit wann hat Gefühl etwas mit Moral zu tun? Habe ich dir dafür hier, unter den Sinnbildern der Vergänglichkeit, deine Nachkriegserziehung gegeben? Betrügen – was für ein vulgäres Wort für die feinste, letzte Unzufriedenheit, das Suchen nach mehr, immer mehr –»
      «Geschenkt!» unterbreche ich ihn. «Der kurzbeinige, aber sehr kräfige Mann, den du soeben draußen mit einer Beule am Kopf in die Tür einbiegen siehst, ist der frisch gebadete Schlächter Watzek. Sein Haar ist geschnitten und noch naß von Bay Rum. Er will seiner Frau gefallen. Rührt dich das nicht?»
      «Natürlich; aber er wird seiner Frau nie gefallen.»
      «Warum hat sie ihn denn geheiratet?»
      «Sie ist inzwischen sechs Jahre älter geworden. Geheiratet hat sie ihn im Kriege, als sie sehr hungrig war

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