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Der schwarze Obelisk. Geschichte einer verspäteten Jugend

Der schwarze Obelisk. Geschichte einer verspäteten Jugend

Titel: Der schwarze Obelisk. Geschichte einer verspäteten Jugend Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Maria Remarque
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Glas.»
      Knopf riecht und probiert. Dann verlangt er ein zweites und ein drittes Glas voll. «Geben Sie es auf», sage ich. «Es ist unmöglich. Sie brauchen nicht zu zahlen.»
      «Dieser Schnaps ist aus dem Delikatessengeschäf von Brockmann an der Marienstraße», sagt Knopf.
      Wir starren ihn an. Es stimmt. «Her mit dem Zaster!» krächzt er. Georg zahlt die drei Mark, und der Feldwebel verschwindet. «Wie war das möglich?» sage ich. «Hat die alte Schnapsdrossel übersinnliche Kräfe?»
      Georg lacht plötzlich. «Er hat uns reingelegt!»
      «Wie?»
      Er hebt die Flasche. Auf die Rückseite ist unten ein winziges Schildchen geklebt: J. Brockmann, Delikatessen, Marienstraße 8. «So ein Gauner!» sagt er vergnügt. «Und was für Augen er noch hat!»
      «Augen!» sage ich. «Übermorgen nacht wird er daran zweifeln, wenn er nach Hause kommt und den Obelisken nicht mehr findet. Auch seine Welt wird für ihn einstürzen.»
      «Stürzt deine ein?» fragt Georg.
      «Täglich», erwidere ich. «Wie sollte man sonst leben?»

    Zwei Stunden vor der Abfahrt glauben wir draußen Trappeln, Stimmen und Töne zu hören.
    Gleich darauf geht es auf der Straße vierstimmig los:
    «Heil’ge Nacht, o gieße du
    Himmelsfrieden in dies Herz –»
      Wir treten ans Fenster. Auf der Straße steht Bodo Ledderhoses Verein. «Was ist denn das?» frage ich. «Mach Licht, Georg!»
      Im matten Schein, der vom Fenster auf die Straße fällt, erkennen wir Bodo. «Es gilt dir», sagt Georg. «Ein Abschiedsständchen deines Vereins. Vergiß nicht, daß du dort Mitglied bist.»
              «Schenk dem müden Pilger Ruh,
              holde Labung seinem Schmerz –»
      tönt es mächtig weiter.
      Fenster öffnen sich. «Ruhe!» schreit die alte Konersmann.
      «Es ist Mitternacht, ihr besoffenes Gesindel!»
              «Hell schon erglühn die Sterne,
              leuchten in blauer Ferne –»
      Lisa erscheint im Fenster und verneigt sich. Sie glaubt, das Ständchen gelte ihr.
      Kurz darauf ist die Polizei da. «Gehen Sie auseinander!» kommandiert eine markige Stimme.
      Die Polizei hat sich mit der Deflation geändert. Sie ist scharf und energisch geworden. Der alte Preußengeist ist wieder da.
    Jeder Zivilist ist ein ewiger Rekrut.
      «Nächtliche Ruhestörung!» schnauzt der amusische Uniformträger.
      «Verhafet sie!» heult die Witwe Konersmann.
      Bodos Verein besteht aus zwanzig handfesten Sängern. Dagegen stehen zwei Polizisten. «Bodo», rufe ich besorgt. «Rührt sie nicht an! Verteidigt euch nicht! Ihr kommt sonst für Jahre ins Zuchthaus!»
      Bodo macht eine beruhigende Geste und singt mit weit offenem Munde:
    «Möchte mit dir so gerne ziehn – himmelwärts.»
    «Ruhe, wir wollen schlafen!» schreit die Witwe Konersmann.
      «Heda!» ruf Lisa den Polizisten zu. «Laßt doch die Sänger in Ruhe! Warum seid ihr nicht da, wo gestohlen wird?»
      Die Polizisten sind verwirrt. Sie kommandieren noch ein paarmal: «Alles zur Polizeistation!» – aber niemand rührt sich. Bodo beginnt die zweite Strophe. Die Polizisten tun schließlich, was sie können – sie verhafen jeder einen Sänger. «Verteidigt euch nicht!» rufe ich. «Es ist Widerstand gegen die Staatsgewalt!»
      Die Sänger leisten keinen Widerstand. Sie lassen sich abführen.
      Der Rest singt weiter, als wäre nichts geschehen. Die Station ist nicht weit. Die Polizisten kommen im Laufschritt wieder und verhafen zwei weitere Sänger. Die andern singen weiter; aber der erste Tenor ist recht schwach geworden. Die Polizisten verhafen von rechts; beim drittenmal wird Willy abgeführt, und damit ist der erste Tenor zum Schweigen gebracht. Wir reichen Bierflaschen aus den Fenstern. «Halte aus, Bodo!» sage ich.
      «Keine Angst! Bis zum letzten Mann!»
      Die Polizei kommt wieder und verhafet im zweiten Tenor. Wir haben kein Bier mehr und stifen unsern Korn. Zehn Mi nuten später singen nur noch die Bässe. Sie stehen da, ohne hinzuschauen, wie verhafet wird. Ich habe einmal gelesen, daß Walroßherden so unbeteiligt bleiben, während Jäger unter ihnen mit Keulen die Nachbarn erschlagen – und gesehen habe ich, daß ganze Völker im Kriege dasselbe tun.
      Nach einer weiteren Viertelstunde steht Bodo Ledderhose allein da. Die schwitzenden, wütenden Polizisten kommen zum letztenmal angaloppiert. Sie nehmen Bodo in die Mitte. Wir folgen ihm zur Station. Bodo

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