Der schwarze Obelisk. Geschichte einer verspäteten Jugend
so schlimm, wenn er wegbleibt. Wollen Sie nicht noch irgendeine Kleinigkeit mitnehmen als Andenken an das Pferd?»
Ich denke einen Augenblick an das Glas mit dem Schneegestöber. Aber man soll keine Andenken mitnehmen. Ich schüttle den Kopf.
«Dann wollen wir unten eine Tasse guten Kaffee trinken und das Denkmal aussuchen.»
Ich habe auf einen kleinen Hügelstein gerechnet; aber es stellt sich heraus, daß das Eiserne Pferd durch den holländischen Kaufmann Devisen hat sparen können. Es hat die Guldenscheine in eine Kassette getan und nicht eingewechselt. Jetzt sind sie da, und es ist eine stattliche Summe. Der Kaufmann war seit Jahren ein treuer Kunde.
«Malwine hat keine Verwandten», sagt die Madame.
«Dann natürlich», erwidere ich, «können wir in die große Klasse der Grabdenkmäler einsteigen. In den Marmor und den Granit.»
«Marmor ist nichts für das Roß», sagt Fritzi. «Das ist doch mehr für Kinder, was?»
«Längst nicht immer! Wir haben schon Generäle unter Marmorsäulen zur Ruhe gebracht.»
«Granit!» sagt die Puffmutter. «Granit ist besser. Paßt besser zu ihrer eisernen Natur.»
Wir sitzen im großen Zimmer. Der Kaffee dampf, es gibt selbstgebackenen Kuchen mit Schlagsahne und eine Flasche Curacao. Ich fühle mich fast in die alten Zeiten versetzt. Die Damen schauen mir über die Schultern in den Katalog, wie einst in die Schulbücher.
«Hier ist das beste, was wir haben», sage ich. «Schwarzer schwedischer Granit, ein Kreuzdenkmal mit zwei Sockeln. Es gibt davon nicht mehr als vielleicht zwei oder drei in der ganzen Stadt.»
Die Damen betrachten die Zeichnung. Es ist eine meiner letzten. Ich habe den Major Wolkenstein für die Inschrif verwendet – als 95 an der Spitze seiner Truppe gefallen –, was mindestens für den ermordeten Tischler in Wüstringen besser gewesen wäre. «War das Pferd katholisch?» fragt Fritzi.
«Ein Kreuz ist nicht nur für Katholiken», erwidere ich.
Die Puffmutter kratzt sich den Kopf. «Ich weiß nicht, ob ihr so was Religiöses recht gewesen wäre. Gibt’s nicht was anderes? So eine Art Naturfelsen?»
Mir setzt einen Augenblick der Atem aus. «Wenn Sie so etwas wollen», sage ich dann, «dann habe ich etwas ganz Besonderes. Etwas Klassisches! Einen Obelisken!»
Es ist ein Schuß in die Nacht, das weiß ich; aber mit plötzlich vor Jagdfieber eifrigen Fingern suche ich die Zeichnung des Veteranen hervor und lege sie auf den Tisch.
Die Damen schweigen und studieren. Ich halte mich zurück. Es gibt manchmal ein Finderglück – im Anfang oder am Schluß, wo einem mit der Kinderhand Dinge gelingen, an denen Spezialisten verzweifelt sind. Fritzi lacht plötzlich. «Eigentlich nicht schlecht für das Pferd», sagt sie.
Die Puffmutter grinst ebenfalls. «Was kostet das Ding?»
Der Obelisk hat, solange ich im Geschäf bin, nie einen Preis gehabt, da jeder wußte, daß er unverkäuflich war. Ich kalkuliere rasch. «Tausend Mark offiziell», sage ich. «Für euch, als Freunde, sechshundert. Ich kann mir erlauben, diesen Schandpreis zu machen, da heute ohnehin mein letzter Tag im Büro ist – sonst würde ich entlassen. Barzahlung natürlich! Und die Inschrif extra.»
«Warum eigentlich nicht?» sagt Fritzi.
«Von mir aus!» Die Puffmutter nickt.
Ich traue meinen Ohren nicht. «Also abgemacht?» frage ich.
«Abgemacht», erwidert die Puffmutter. «Wieviel sind sechshundert Mark in Gulden?»
Sie beginnt, die Scheine abzuzählen. Aus der Kuckucksuhr an der Wand schießt der Vogel und ruf die Stunde aus. Es ist sechs Uhr. Ich stecke das Geld ein. «Ein Gedächtnisschnaps», sagt die Puffmutter. «Für Malwine. Morgen früh wird sie beerdigt. Wir brauchen das Lokal wieder für morgen abend.»
«Schade, daß ich nicht zur Beerdigung bleiben kann», sage ich.
Wir trinken alle einen Kognak mit einem Schuß Pfefferminzschnaps. Die Puffmutter wischt sich die Augen. «Es geht mir nahe», erklärt sie.
Es geht uns allen nahe. Ich stehe auf und verabschiede mich.
«Georg Kroll wird das Denkmal setzen lassen», sage ich.
Die Damen nicken. Ich habe nie soviel Treu und Glauben gesehen wie hier. Sie winken aus den Fenstern. Die Doggen bellen. Ich gehe rasch den Bach entlang der Stadt zu.
«Was?» sagt Georg. «Unmöglich!»
Ich ziehe schweigend die Gulden hervor und breite sie auf dem Schreibtisch aus. «Was hast du dafür
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