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Der schwarze Obelisk. Geschichte einer verspäteten Jugend

Der schwarze Obelisk. Geschichte einer verspäteten Jugend

Titel: Der schwarze Obelisk. Geschichte einer verspäteten Jugend Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Maria Remarque
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verkauf?» fragt er.
      «Warte einen Augenblick.»
      Ich habe eine Fahrradklingel gehört. Gleich darauf ertönt ein gebieterisches Räuspern vor der Tür. Ich raffe die Scheine zusammen und stecke sie wieder in die Tasche. Heinrich Kroll erscheint in der Tür, die Hosensäume leicht mit Straßenschmutz bekleckert. «Nun», frage ich. «Was verkauf?»
      Er starrt mich gifig an. «Gehen Sie mal ‚raus und verkaufen Sie! Bei der Pleite. Kein Mensch hat Geld! Und wer ein paar Mark hat, hält sie fest!»
      «Ich war draußen», erwidere ich. «Und ich habe verkauf.»
      «So? Was?»
      Ich drehe mich so, daß ich beide Brüder im Auge habe, und sage: «Den Obelisken.»
      «Quatsch!» sagt Heinrich kurz. «Machen Sie Ihre Witze doch in Berlin!»
      «Ich habe mit dem Geschäf hier zwar nichts mehr zu tun», erkläre ich, «da ich heute mittag um zwölf Uhr meinen Dienst beendet habe. Trotzdem lag mir daran, Ihnen mal zu zeigen, wie einfach es ist, Denkmäler zu verkaufen. Direkt eine Ferienbeschäfigung.»
      Heinrich schwillt an, hält sich aber mit Mühe. «Gottlob, wir brauchen diesen Unsinn nicht mehr lange anzuhören! Gute Reise! In Berlin wird man Ihnen schon die Flötentöne beibringen.»
      «Er hat den Obelisken tatsächlich verkauf, Heinrich», sagt Georg.
      Heinrich starrt ihn ungläubig an. «Beweise!» faucht er dann.
      «Hier!» sage ich und lasse die Gulden flattern. «Sogar Devisen!»
      Heinrich glotzt. Dann hascht er nach einem der Scheine, dreht ihn um und prüf, ob er echt sei. «Glück», knirscht er schließlich hervor. «Blödes Glück!»
      «Wir können das Glück brauchen, Heinrich», sagt Georg. «Ohne diesen Betrag könnten wir den Wechsel nicht bezahlen, der morgen fällig ist. Du solltest lieber herzlichen Dank sagen. Es ist das erste wirkliche Geld, das wir hereinkriegen. Wir brauchen es verdammt nötig.»
      «Dank? Fällt mir gerade ein!»
      Heinrich verschwindet türenschmetternd, ein echter, aufrechter Deutscher, der niemandem jemals Dank schuldet.
      «Brauchen wir den Zaster tatsächlich so dringend?» frage ich.
      «Dringend genug», erwidert Georg. «Aber jetzt laß uns abrechnen. Wieviel Geld hast du?»
      «Genug. Ich habe das Reisegeld dritter Klasse geschickt bekommen. Ich fahre vierter und spare damit zwölf Mark. Mein Klavier habe ich verkauf – ich kann es nicht mitschleppen. Der alte Kasten hat hundert Mark eingebracht. Das sind zusammen hundertzwölf Mark. Davon kann ich leben, bis ich mein erstes Gehalt bekomme.»
      Georg nimmt dreißig holländische Gulden und hält sie mir hin. «Du hast als Spezialagent gearbeitet. Damit hast du Anrecht auf eine Provision wie Tränen-Oskar. Für besondere Leistung fünf Prozent Zuschlag.»
      Es entsteht ein kurzer Wettstreit; dann nehme ich das Geld als Rücklage für den Fall, daß ich im ersten Monat bereits aus meiner neuen Stellung rausfliege. «Weißt du schon, was du in Berlin machen mußt?» fragt Georg.
      Ich nicke. «Feuer melden; Diebstähle beschreiben; kleine Bücher besprechen; Bier holen für die Redakteure; Bleistife anspitzen; Druckfehler korrigieren – und versuchen, weiterzukommen.»
      Die Tür wird mit einem Fußtritt geöffnet. Wie ein Gespenst steht der Feldwebel Knopf im Rahmen. «Ich verlange acht Billionen», krächzt er.
      «Herr Knopf», sage ich. «Sie sind aus einem langen Traum noch gar nicht ganz aufgewacht. Die Inflation ist vorbei. Vor vierzehn Tagen hätten Sie acht Billionen für den Stein bekommen können, den Sie für acht Milliarden gekauf haben. Heute sind es acht Mark.»
    «Ihr Lumpen! Ihr habt das absichtlich getan!»
    «Was?»
      «Mit der Inflation aufgehört! Um mich auszuräubern! Aber ich verkaufe nicht! Ich warte auf die nächste!»
      «Was?»
      «Die nächste Inflation!»
      «Gut», sagt Georg. «Darauf wollen wir einen trinken.»
      Knopf greif als erster nach der Flasche. «Wetten?» fragt er.
      «Um was?»
      «Daß ich schmecken kann, woher die Flasche kommt.»
      Er zieht den Korken heraus und riecht. «Ausgeschlossen, daß Sie das rausfinden», sage ich. «Bei Korn vom Faß vielleicht – wir wissen, daß Sie darin der beste Kenner der Provinz sind –, aber nie bei Schnaps in der Flasche.»
      «Um wieviel wetten Sie? Um den Preis des Grabsteins?»
      «Wir sind plötzlich verarmt», erwidert Georg. «Aber wir wollen drei Mark riskieren. Auch in Ihrem Interesse.»
      «Gut. Geben Sie mir ein

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