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Der schwarze Obelisk. Geschichte einer verspäteten Jugend

Der schwarze Obelisk. Geschichte einer verspäteten Jugend

Titel: Der schwarze Obelisk. Geschichte einer verspäteten Jugend Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Maria Remarque
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allein und hackt gerade auf ein Stück Rehrücken ein, das fast so groß ist wie der Tisch. «Was sagst du dazu?» frage ich Georg. «Riecht das nicht nach Verrat?»
      «War etwas zu verraten?» fragt Georg zurück.
      «Nein. Aber wie wäre es mit Vertrauensbruch?»
      «War ein Vertrauen zu brechen?»
      «Laß das, Sokrates!» erwidere ich. «Siehst du nicht, daß Eduards dicke Pfoten hier im Spiele sind?»
      «Das sehe ich. Aber wer hat dich verraten? Eduard oder Gerda?»
      «Gerda! Wer sonst? Der Mann hat nie etwas damit zu tun.»
      «Die Frau auch nicht.»
    «Wer denn?»
    «Du. Wer sonst?»
      «Gut», sage ich. «Du hast leicht reden. Du wirst nicht betrogen. Du betrügst selbst.»
      Georg nickt selbstgefällig. «Liebe ist eine Sache des Gefühls», doziert er. «Keine der Moral. Gefühl aber kennt keinen Verrat. Es nimmt zu, schwindet oder wechselt – wo ist da Verrat? Es ist kein Kontrakt. Hast du Gerdas Ohren nicht mit deinem Schmerz um Erna vollgeheult?»
      «Nur im Anfang. Sie war ja dabei, als der Krach in der Roten Mühle passierte.»
      «Dann jammere jetzt nicht. Verzichte oder handle.»
      Ein Tisch neben uns wird frei. Wir setzen uns. Der Kellner Freidank räumt ab. «Wo ist Herr Knobloch?» frage ich.
      Freidank sieht sich um. «Ich weiß nicht – er war die ganze Zeit an dem Tisch mit der Dame drüben.»
      «Einfach, was?» sage ich zu Georg. «Soweit wären wir. Ich bin ein natürliches Opfer der Inflation. Schon wieder. Erst Erna, jetzt Gerda. Bin ich ein geborener Hahnrei? Dir passiert so was nicht.»
      «Kämpfe!» erwidert Georg. «Noch ist nichts verloren. Geh zu Gerda hinüber!»
      «Womit soll ich kämpfen? Mit Grabsteinen? Eduard gibt ihr Rehrücken und widmet ihr Gedichte. Bei den Gedichten kennt sie den Unterschied in der Qualität nicht – beim Essen leider. Und ich Esel habe mir das selbst zuzuschreiben! Ich habe sie hierhergebracht und ihren Appetit geweckt. Buchstäblich!»
      «Dann verzichte», sagt Georg. «Wozu kämpfen? Um Gefühle kann man sowieso nicht kämpfen.»
      «Nein? Weshalb rätst du mir dann vor einer Minute, ich solle es tun?»
      «Weil heute Dienstag ist. Da kommt Eduard – in seinem Sonn tagsgehrock und mit einer Rosenknospe im Knopfloch. Du bist erledigt.»
      Eduard stutzt, als er uns sieht. Er schielt zu Gerda hinüber und begrüßt uns dann mit der Herablassung des Siegers.
      «Herr Knobloch», sagt Georg. «Ist Treue das Mark der Ehre, wie unser geliebter Feldmarschall es verkündet hat, oder nicht?»
      «Es kommt darauf an», erwidert Eduard vorsichtig. «Heute gibt es Königsberger Klops mit Tunke und Kartoffeln. Ein gutes Essen.»
      «Darf der Soldat dem Kameraden in den Rücken fallen?» fragt Georg weiter. «Der Bruder dem Bruder? Der Poet dem Poeten?»
      «Poeten greifen sich dauernd an. Sie leben davon.»
      «Sie leben vom offenen Kampf; nicht vom Dolchstoß in den Magen», erkläre ich.
      Eduard schmunzelt breit. «Der Sieg dem Sieger, mein lieber Ludwig, catch as catch can. Jammere ich, wenn ihr mit Eßmarken kommt, die keine Nuß mehr wert sind?»
      «Ja», sage ich, «und wie!»
      Eduard wird in diesem Augenblick beiseite geschoben. «Kinder, da seid ihr ja», sagt Gerda herzlich. «Laßt uns zusammen essen! Ich habe gehof, ihr würdet kommen!»
      «Du sitzest in der Weinabteilung», erwidere ich gifig. «Wir trinken Bier.»
      «Ich trinke auch lieber Bier. Ich setze mich zu euch.»
      «Erlaubst du, Eduard?» frage ich. «Catch as catch can?»
      «Was hat Eduard da zu erlauben?» fragt Gerda. «Er freut sich doch, wenn ich mit seinen Freunden esse. Nicht wahr, Eduard?»
      Die Schlange nennt ihn bereits beim Vornamen. Eduard stottert. «Natürlich, nichts dagegen, selbstverständlich, eine Freude –»
      Er bietet ein schönes Bild, rot, wütend und verbissen lächelnd.
    «Eine hübsche Rosenknospe trägst du da», sage ich. «Bist du auf Freiersfüßen? Oder ist das einfache Freude an der Natur?»
      «Eduard hat ein sehr feines Gefühl für Schönheit», erwidert Gerda.
      «Das hat er», bestätige ich. «Hattest du das gewöhnliche Mittagessen? Lieblose Königsberger Klopse in irgendeiner geschmacklosen deutschen Tunke?»
      Gerda lacht. «Eduard, zeig, daß du ein Kavalier bist! Laß mich deine beiden Freunde zum Essen einladen! Sie behaupten dauernd, du wärest entsetzlich geizig. Laß uns ihnen das Gegenteil beweisen. Wir haben

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