Der Schwarze Orden
gerade vom Eden au Lac ins Dolder Grand umgezogen.«
»Demnach dürfte sie hier noch etwas zu erledigen haben.« »Ja, und zwar Sie«, sagte Beck finster.
»Ich glaube, ich sehe mir das Dolder Grand mal etwas näher an. Es ist ein phantastisches Hotel. Die Bankiers essen mit Vorliebe dort.«
»Vermutlich wäre es reine Zeitverschwendung, Sie zu bitten, nicht hinzugehen.«
»Nichts für ungut, aber das wäre es wirklich. Ich werde umgehend hinfahren. Und danke für den Hinweis.«
»Besser, ich hätte Ihnen gar nichts gesagt…«
Tweed wollte gerade sein Zimmer verlassen, als Paula klopfte. Als er ihr öffnete, sah sie ihn streng an und pflanzte sich mit über der Brust verschränkten Armen vor ihm auf.
»Sie können mir nichts vormachen«, sagte sie. »Sie haben etwas vor.«
»Beck hat eben angerufen. Tina Langley ist ins Dolder Grand umgezogen. Ich werde mal hinfahren und mit ihr reden. Ich möchte, daß sie sich noch mal eine neue Bleibe suchen muß.«
»Sie glauben doch nicht im Ernst, daß ich Sie da allein hinfahren lasse? Versprechen Sie mir zu warten, bis ich zurück bin. Ich muß nur noch kurz in mein Zimmer.«
»Sie kommandieren mich ganz schön herum, wissen Sie das?«
»Das ist die einzige Möglichkeit, Sie zur Vernunft zu bringen.«
Als sie zurückkam, war sie nicht allein. Newman und Marler begleiteten sie.
Stirnrunzelnd hob Tweed die Hand.
»Ich brauche keine Delegation.«
»Sie kriegen aber eine«, erwiderte Paula. »Marler spielt den Chauffeur. Sie haben die ganze Strecke von Ouchy hierher am Steuer gesessen. Bob war noch nie im Dolder Grand. Er kommt einfach so mit.«
»Das glauben Sie doch selbst nicht!«
Als sie das Hotel verließen, sah sich Paula um. Die engen, verwinkelten Kopfsteinpiasterstraßen der Altstadt waren von jahrhundertealten Häusern gesäumt.
Rechts von ihnen teilte die Limmat die Altstadt in zwei Teile. Die Gegend hatte eine ruhige, geschichtsträchtige Atmosphäre. Neben dem Hotel führte ein überdachter Weg am Flußufer entlang. Das muß ich mir mal näher ansehen, dachte Paula, als Marler mit dem Wagen vorfuhr. Sie war sehr still, als sie mit Tweed hinten einstieg.
Als Marler losfuhr, hatte sie das eigenartige Gefühl, es würde etwas Außergewöhnliches passieren. Sie hatte keine Ahnung, was, aber sie hatte dieses Gefühl auch noch, als sie die Limmat überquerten und den Zürichberg hinauffuhren.
Bald standen die Häuser nicht mehr so dicht aneinandergedrängt, und an die Stelle mehrstöckiger Stadthäuser traten herrliche alte Villen. Dann kamen sie durch einen Fichtenwald, in dem, von der Straße zurückversetzt, vereinzelte riesige Villen standen.
Hinter ihnen waren inzwischen die dichtgedrängten Stadthäuser und Kirchtürme Zürichs zu sehen. Es gab auch andere Ausblicke – auf den See, dessen blaue Oberfläche in der Sonne blinkte. Tweed stieß Paula behutsam in die Seite.
»Wir kommen jetzt zur Talstation der Seilbahn. Damit könnten wir auch zum Dolder Grand hochfahren.«
»Und was hätten wir davon? Daß wir irgendwo auf dem Zürichberg stehen, wenn wir zurück wollen.«
»Dieser Gedanke ist mir auch schon gekommen…«
Sie fuhren weiter den Berg hinauf, und der weiße Hotelpalast des Dolder Grand mit seinen seltsamen spitzen Türmchen tauchte vor ihnen auf. Paulas Eindruck, daß gleich etwas passieren würde, verstärkte sich.
Tweed führte sie in eine riesige Hotelhalle mit kostbaren Antiquitäten und dicken Teppichen. Auf einigen Sitzgruppen saßen vornehm aussehende Männer und Frauen, die sich leise unterhielten.
Fast im selben Moment wie Tweed hatte ein mittelgroßer, auffallend brauner Mann in einem Armani-Anzug die Hotelhalle betreten. Als er Tweed entdeckte, blieb er wie versteinert stehen und starrte ihn an, als traute er seinen Augen nicht. Tweed wandte sich mit gedämpfter Stimme an einen Kellner. »Wenn mich nicht alles täuscht, kenne ich den Herrn da drüben. Nur sein Name ist mir im Moment entfallen.«
»Mr. Ashley Wingfield. Er wohnt öfter hier. Ein feiner Mann.«
Auch Tweed stand, die Hände in den Jackentaschen, sehr still da. Er wandte den Blick nicht einen Moment von den seltsam fahlen Augen, mit denen ihn der Mann wie hypnotisiert anstarrte. Ihr Ausdruck wandelte sich – von Staunen über Haß zu Ausdruckslosigkeit. Der Mann namens Ashley Wingfield hatte ein rundliches Gesicht, aber seine stark ausgeprägten Backenknochen ließen Tweed auf eine Herkunft aus dem Nahen Osten tippen. Schon bei Scotland Yard war Tweed
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