Der Schwarze Orden
Flächenausdehnung von etwa dreißig bis vierzig Kilometern. Da kein Wind wehte, bewegte sie sich nicht von der Stelle. Sie vermuten, daß unter der Wolke große militärische Manöver durchgeführt wurden. An ihren Rändern erfaßten die Kameras zehn tot im Sand liegende Kamele. Daraus schließt man in Washington, daß bakteriologische Kampfstoffe zum Einsatz kamen.«
»Beängstigend.«
»Der Präsident hat verboten, irgendwelche Gegenmaßnahmen zu ergreifen – er bezeichnet das Ganze als Bluff.« »Was glauben Sie?« fragte Paula.
»Im Nahen Osten bereitet sich eine riesige Armee darauf vor, Israel zu vernichten.
Gelingt das, wird sich eine ganze Reihe arabischer Staaten mit dem Angreifer verbünden. Anschließend dringt diese Armee nach Norden vor und weiter durch die Türkei, wo die Ultraextremisten – wesentlich fanatischer als die Fundamentalisten – nur auf eine Gelegenheit warten, um in Ankara die Macht zu übernehmen. Von der Türkei aus dringen sie über den Balkan noch weiter nach Norden vor. Und hier heißt ihr erstes größeres Ziel Wien. Von dort geht es dann weiter nach München. Dann ein rascher Vormarsch bis an den Rhein. Ihre Raketen werden London in Schutt und Asche legen.«
»Sie sind ein hervorragender Stratege – wie Arnos Lodge.«
»Oh, ich bin sicher, darauf ist er auch selbst schon gekommen«, erwiderte Tweed.
»Sie haben mir wirklich angst gemacht.«
»Glauben Sie jetzt immer noch, ich sollte nicht alles daransetzen herauszufinden, wer hinter diesem Eröffnungszug steckt – hinter diesen Attentaten?«
»Ich komme heute abend mit Ihnen.«
»Damit würden Sie nur alles verderben. Kommt überhaupt nicht in Frage.«
»Und Sie glauben allen Ernstes, darauf lasse ich mich ein?«
»Etwas anderes wird Ihnen wohl kaum übrig bleiben. Doch jetzt sollte ich Ihnen vielleicht mal das Foto zeigen, das Vitorelli mir mit einer kurzen Nachricht geschickt hat. Hier ist die Nachricht.«
Ich habe Kopien davon anfertigen lassen. Hier ist ein Foto von Tina Langley.
Gruß, E.
Paula sah auf die Hochglanzvergrößerung, die mit der Nachricht gekommen war. Es war ein einwandfreier Farbabzug, und sie studierte ihn ein paar Minuten, bevor sie zu Tweed aufblickte.
»Das ist die Frau, die Norbert Engel ermordet hat.«
»Sind Sie sicher?«
»Sie drehte sich auf der Kärntnerstraße zwar nur einmal kurz nach mir um, aber ich bekam sie bei dieser Gelegenheit sehr gut zu sehen. Ich bin ganz sicher. Ein Mitglied des Ordens hätten wir damit also schon identifiziert.«
Tina Langley, die sich unter dem Namen Lisa Vane ins Melderegister eingetragen hatte, wohnte im Hotel des Bergues in Genf, wo sie von Hassan ›aufs Abstellgleis‹ geschoben worden war. Sie kannte die Bedeutung dieser Redewendung – sie war wie die Waggons eines Zuges vorübergehend aus dem Verkehr gezogen worden.
Mit ihrer kastanienbraunen Mähne, ihrer hervorragenden Figur und ihrem verführerischen Lächeln war es ihr während ihres kurzen Aufenthalts in der Stadt bereits gelungen, sich einen Freund zu angeln, einen Schweizer Bankier. Für die schöne Tina mit ihrem Schlafzimmerblick war das ein Leichtes gewesen. Neben den vollen roten Lippen waren ihre Augen ihre wirksamste Waffe. Sie brauchte einen Mann nur mit diesen Augen anzusehen, und schon fraß er ihr aus der Hand. Nur um die eins sechzig groß, trug sie hohe Absätze, um größer zu erscheinen. Ihr Begleiter sprach englisch mit ihr, als sie die Rhone-Promenade entlanggingen.
»Aus welchem Teil Englands kommst du eigentlich, Lisa?«
»Aus Kent«, log sie. »Das ist nicht weit von Dover. Bei welcher Bank bist du gleich wieder Direktor?« fragte sie scheinbar beiläufig.
Sie lächelte still in sich hinein, als er es ihr verriet. Es war eine große Bank. Sie begann sich bereits zu fragen, wieviel sie aus ihm herausschlagen könnte. Der Hauptgrund, weshalb sie seine Bekanntschaft gesucht hatte, war jedoch, daß eine attraktive Frau mit einem männlichen Begleiter weniger Aufsehen erregte. Obwohl sie eigentlich nicht damit rechnete, daß die Polizei in Genf nach ihr suchen würde, während sie darauf wartete, von Hassan Anweisungen für ihren nächsten Auftrag zu erhalten. Genf war sehr weit von Wien entfernt.
Sie führte ihren Begleiter eine Seitenstraße hinunter, wo es ein exklusives Juweliergeschäft gab. Sie hatte eine Schwäche für Diamanten, und sie betrachtete ein funkelndes Collier. Anton, ihr neuer Freund, stand ungeduldig neben ihr, und sie merkte, es war noch zu
Weitere Kostenlose Bücher